Im Leben hat alles seinen Preis, der früher oder später durch jeden von uns zu bezahlen ist. Für den entsprechenden Nutzen, den wir von unseren Entscheidungen und Handlungen erwarten, aber eben nicht immer bekommen.
Wir stellen uns ja oft die Frage, was im Leben wirklich wichtig ist, was einen glücklich macht und was am Ende wirklich zählt. Ist es die Karriere im Beruf, viel Geld verdienen, Macht besitzen, wichtig und/oder der Beste zu sein? Oder ein erfüllendes Familienleben mit Kindern, die man nicht nur aufwachsen sieht, sondern auch an deren Aufwachsen und Erziehung beteiligt ist. Ihnen „Wurzeln“ geben kann und später die „Flügel“, damit sie gut vorbereitet das eigene Nest mit Selbstbewusstsein verlassen können. Und zu den Kindern noch einen Partner an der Seite, der zu einem passt, der einen gern hat, dem man vertrauen kann und bei dem man sich wohl fühlt. Wie findet man aber die Balance zwischen dem Geld verdienen, dem auskömmlichen Einkommen, sich selbst verwirklichen zu können und dem erfüllten Privat- und Familienleben? Wie kann man sich auf diesem schmalen Grat bewegen, das Gleichgewicht halten und nicht abstürzen?
All diese Fragen kommen auf jeden von uns einmal zu. Früher oder später, schleichend, manchmal auch mit brutaler Wucht, von einem Tag auf den anderen. Wie bei mir, bei ehemaligen Kollegen, oder bei bekannten Namen aus der Wirtschaft, Gesellschaft, oder aus dem Sport. Was würde zum Beispiel Uli Hoeness über den „Preis“ sagen, den er für sein Fehlverhalten bezahlen musste? Thomas Middelhoff, die ehemaligen Verantwortlichen bei der Deutschen Bank, oder der wegen Steuerhinterziehung verurteile Ex-Vorstand der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel?
Was würden diese Manager auf die Frage antworten, ob man mit Fair Play und Anstand genauso erfolgreich sein kann, wie mit „Raubtierkapitalismus“? Ohne Rücksicht auf die Gesellschaft, die Umwelt und auf die nachfolgenden Generationen zu nehmen. Auch, ob man als Manager unbedingt „mit den Wölfen heulen“ und ein „Ja-Sager“ sein muss“, um Karriere zu machen, oder ob es auch einen anderen Weg gibt? Und, ist ab einer bestimmten Position eine 70-Stunden-Woche wirklich normal und muss man sich schämen, wenn man ab 18:00 Uhr und am Wochenende nicht mehr per email zu erreichen ist?
Jeder muss diese Fragen für sich selber beantworten, aber hoffentlich nicht mit der tragischen „Antwort“ des Managers der Deutschen Bank, William Broeksmit, der sich am 26. Januar 2014 in seiner Wohnung in London erhängte. Am gleichen Tag, als sich auch Tata-Motors-Chef Karl Slym aus dem 22. Stock eines Luxushotels in Bangkok stürzte. Oder Pierre Wauthier, Finanzchef der Zurich Versicherung, der sich in 2013 ebenfalls gegen das Leben und für den Tod entschied.
Und hoffentlich auch nicht mit der Entscheidung von Heinz-Joachim Neubürger, Mitglied des Vorstands bei meinem ehemaligen Arbeitgeber, der Siemens AG. Dem auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Türen zu Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bei vielen Unternehmen lange Zeit weit offen standen. Der aber dann im Rahmen des Korruptionsskandals bei Siemens ebenfalls jahrelang ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet. Und dessen Vergleich mit der Siemens AG die Hauptversammlung der Aktionäre nach jahrelangen Verhandlungen schlussendlich am 27. Januar 2015 absegnete. Bei dem er zwar 2,5 Millionen Euro an den Konzern zahlen, aber keine persönliche Schuld auf sich nehmen musste. Und der acht Tage später sich am Abend gegen halb elf in sein Auto setzte und zu einer Brücke in München fuhr. Sich dort mit 62 Jahren aus 31 Metern in die Tiefe stürzte, um sich das Leben zu nehmen. Aus Scham, oder aus tiefster Verzweiflung. Oder einfach zermürbt und ausgelaugt nach den Jahrelangen Kämpfen. Wir wissen es nicht und werden es auch nie erfahren.
Aber was wir ein bisschen erfahren* dürfen, ist, welchen Preis er und seine Familie für seine Karriere wohl zahlen mussten. Von seinen Töchtern, die während der Trauerfeier in der Kirche neben den Ehefrauen ihres Vaters sassen. Die erste Ehefrau, von der sich Neubürger noch während seiner Zeit bei Siemens getrennt hatte, und die zweite Ehefrau, mit der er zuletzt in London lebte.
„Die Töchter traten vor den Altar und begannen ihre Rede mit einer Entschuldigung: Die Anwesenden mögen es ihnen verzeihen, wenn sie heute keine gemeinsamen Erlebnisse mit dem verstorbenen Vater teilten. Stattdessen wollten sie drei Bitten an die Gemeinde richten, die sie im Wechsel vortrugen.
Die erste Bitte:
„Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Kinder, auch wenn Ihre Kinder diese Zeit nicht einfordern.“ Sie hätten den Vater nie bei der Arbeit gestört, weil sie keine weitere Verpflichtung für ihn sein wollten. Später, als er dann mehr Zeit gehabt hätte, seien sie zu beschäftigt gewesen, erwachsen zu werden. „Das war ein Fehler.“
Die zweite Bitte:
„Sagen Sie Ihren Kindern, dass Sie sie lieb haben und stolz auf sie sind.“ Als sie ihre Mutter gefragt hätten, ob der Vater sie liebe, sei ihre Antwort gewesen: „Euer Vater arbeitet so viel, weil er euch so lieb hat.“ Er habe der Familie materielle Sicherheit bieten wollen. „Doch was“, fragen die Töchter nun, „sind alle materiellen Güter gegen einen Vater, der uns nicht mehr zum Traualtar führen kann?“
Schließlich Bitte Nummer drei:
„Sprechen Sie mit Ihren Kindern über Ihre Gefühle.“ Ihr Vater habe Probleme stets mit sich selbst ausgemacht, seine Sorgen kaum jemandem anvertraut.
Der letzte Appell, den die Töchter von Heinz-Joachim Neubürger an die versammelte Managerzunft richteten, lautete: „Bitten Sie Ihre Familie um Hilfe!“
Jedes Mal, wenn ich diese Geschichte lese, bekomme ich einen dicken Kloß im Hals und ich werde sehr nachdenklich. Nicht nur, weil ich fünfundzwanzig Jahre lang in verschiedenen Verantwortungen beim gleichen Arbeitgeber wie Heinz-Joachim Neubürger tätig war. Sondern mehr noch, weil auch mir die Frage gestellt wurde, was in meinem Leben wirklich wichtig ist. Sehr spät, aber noch nicht ganz zu spät. Durch meinen Körper, von einem Tag auf den anderen. Und weil mich das Beschäftigen mit dieser Frage und die Suche nach der richtigen Antwort auf einen neuen Lebensweg und –abschnitt führten. Zu meinem Glück jetzt mit jemandem an meiner Seite, den ich immer um Hilfe bitten kann…
*Die Bitten der Töchter von Heinz-Joachim Neubürger entnommen aus dem Artikel von ZEIT ONLINE, von Kerstin Bund, vom 18.Juni 2015 http://www.zeit.de/2015/23/siemens-heinz-joachim-neubuerger-selbstmord
Wie wahr und wie wichtig!
Auch mir hat sich mal – gewissermaßen von einem Tag auf den anderen – die Frage nach dem Preis gestellt. Ich danke Gott, dass ich die für mich richtige Antwort finden durfte. Ich wurde aus der Bahn geworfen, um meinen Weg zu finden. Und ich kann jedem nur dringend empfehlen, sich diesen Artikel zu Herzen zu nehmen.
In diesem Sinne…
Axel Salzsieder
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Herzlichen Dank für Ihre Empfehlung und für das Teilen Ihrer Erfahrungen!
Viele Grüße
Ernst Holzmann
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Es gibt keine Zufälle!
Da ich selbst in einer Lebenskrise stecke, fand ich heute diese Texte, die mich zum
Nachdenken anhielten.
Ich werde in diesem Jahr 60.
Ein interessantes und facettenreiches Leben, privat wie beruflich, liegt hinter mir und hoffentlich auch noch vor mir.
Ich habe in meinen beiden Berufen als Lehrerin, später als Journalistin erfolgreich gearbeitet. Ich habe Filme für die öffentlich rechtlichen Sender gedreht und auch manches Jugend- und Sozialprojekt eigenverantwortlich auf die Beine gestellt.
Seit zwei Jahren unterrichte ich an einer Realschule Flüchtlingskinder und -jugendliche in „Deutsch als Zweitsprache“. Mein Arbeitsvertrag ist befristet. Er läuft mit dem 19.Oktober dieses Jahres aus.
Niemand im Schulamt fühlt sich verantwortlich, auf meine dringenden emails mit der Frage, wie es beruflich weitergeht mit mir, zu antworten.
Ich bin in tiefer Sorge um meine Zukunft.
Den Schlüssel abzugeben, fühle ich mich noch zu jung und lebendig.
Durch die mich quälende frage, wie es nach der Befristung weitergeht, bin ich im vergangenen Jahr in eine schwere Depression gefallen und war vier Monate krank.
Seit dem 2. Januar bin ich wieder im Dienst.
Ich habe nie in den beiden berufen, die mich ausgefüllt haben, eine leitende Stellung gehabt. eine 70-stunden-Woche kenne ich nicht.
dennoch bin ich jetzt verzweifelt darüber, ob ich die nächsten 5 Jahre noch Arbeit haben werde.
das ist meine grosse sorge, die mich manchmal an meine psychischen Grenzen bringt und mich in meinem eigentlich ungebremsten lebensengagement völlig – am (weiter)leben – verzweifeln lässt.
ich kann nur hoffen, dass ich daran nicht zerbreche…
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Sehr geehrte Frau Heyder,
herzlichen Dank für Ihre Offenheit und für das Teilen Ihrer Gedanken! Ich bin „weiss Gott“ kein Psychologe und es steht mir auch nicht zu, Ihnen irgendwelche Tipps zu geben. Aber da wir beide im gleichen Alter sind (und auch ich eine ähnliche „Schaffenskrise/Existenzangst“ mal erlebt habe, einfach mal meine entsprechenden Gedanken. Natürlich ist eine Beschäftigung wichtig, nicht nur zum Geldverdienen. Aber man sollte sich nie durch dieses „ich muss unbedingt eine Beschäftigung haben, sonst bin ich kein wertvoller Mensch“ verrückt machen lassen und sich zu sehr unter Druck setzen. Auch gemäss dem alten Sprichwort, „wenn einen Tür zugeht, gehen zwei andere auf“. Menschen wie Sie, welche Spass im Umgang mit jungen Menschen haben, gerade auch aus anderen Ländern, sind wertvoll für unsere Gesellschaft und werden gebraucht. Vielleicht versuchen Sie es einfach mal bei anderen Bildungsträgern, oder auch direkt bei Flüchtlingsheimen, die händeringend Lehrer für Sprachkurse suchen. Ich habe zum Beispiel auch gute Kontakte zu einem entsprechenden Bildungsträger in Dresden, gerne „verknüpfe“ ich Sie mit diesem. Wenn das für Sie von Interesse ist, bitte dazu einfach melden, am besten per email an holzmanne@aol.com
Viele Grüße
Ernst Holzmann
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Bezüglich Ihrer Fragestellung, was uns glücklich macht, gilt es in erster Linie, zwischem Sinnlichem und Sachlichem zu trennen. Und daran schließt sich die Fragestellung, was in unserem Leben lebensnotwendig für den jeweiligen Bestandteil ist.
Leider vermischen sich nicht nur in Ihrem Beitrag diese beiden zu trennenden Faktoren, sondern verschwommen wohl auch bei den von Ihnen genannten Beispielpersonen.
Maßgeblicher Bezug ist doch hier, ob man diesbezüglich über Freundschaftsverhältnisse verfügt. Freundschaftsverhältnisse sind sinnliche Vertrauensverhältnisse und ‚an sich‘ unabhängig von den sachlichen Gegebenheiten. Nur dieses Verhältnis – insofern es das Maßgebliche ist – ist unabhängig vom Erfolg.
Erfolg ist jedoch eine Sachlichkeit und nimmt entsprechend des Ausmaßes an Erfolg entsprechend Raum ein im Leben dessen, welcher es erfährt. Es ergeben sich daraus auch im gleichen Verhältnis Möglichkeiten/Gegebenheiten an kameradschaftlichen Verhältnissen, jedoch sind diese an die Sachlichkeit des Erfolges gekoppelt (Kameradschaft ist ein sachliches Verhältnis).
Generell gibt es in jedem personellen Verhältnis Sachliches und Sinnliches, jedoch sind die Inhaltlichkeiten und Relationen unterschiedlich, sodaß letzendlich Kernpunkt dessen ist, was maßgeblich ist.
Was die Familie betrifft, so kann man sich darin nur ein Mitglied ‚aussuchen‘, nämlich den Ehepartner. Ich habe im Bezug auf ‚Familie‘ jedoch ausschließlich schlechte Erfahrung gemacht und somit beziehe ich mich auch generell auf das neutrale Händling der Sache. Das Ihnen auch darin der Erfolg beschert ist, dafür sind Sie zu beglückwünschen.
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Vielleicht sollen viele Arbeitgeber diesen Artikel lesen, eher diese von ihren Mitarbeitern 80 St./Woche ohne jeglichen Ausgleich einfordern. Für die heutigen Kapitalisten schein so was wie Familie gar nicht mehr zu existieren, aber auch nur dann, wenn diese bei Kapital anhäufen nicht stört. Sehe ich mittlerweile fast schon täglich. Vielleicht muss die Menschheit aussterben, damit diese kurz zuvor zur Vernunft kommt. Wenigstens wäre die übrige Tierwelt dafür dankbar.
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Sehr geehrter Herr Holzmann,
was mich nach ebenfalls 25 Jahren in der Industriewirtschaft – und einem anderen Werdegang als offensichtlich dem Ihren – nach wie vor beschäftigt: warum ist die Wirtschaftswelt so beharrlich männlich, menschenzerstörend und damit volkswirtschaftlich fraglich, wobei die Chancen heterogener Teams doch seit Jahren auf der Hand liegen?
Ich freue mich, Ihre Haltung diesbezüglich zu erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Iris Raether-Lordieck
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Dazu („männlich“) habe ich auch keine wirkliche Antwort. Vielleicht ist es die Summe von Erziehung (Ein Junge hat sich wie ein Junge zu benehmen und ein Mädchen, wie ein Mädchen), Vorleben (auch schon im Elternhaus) und der Benachteiligung von Frauen, wenn diese Mutter werden. Damit oft mehrere Jahre nicht mehr im Beruf präsent sind bzw. die Last der Erziehung an ihnen hängen bleibt. Aber ich merke einen Wandel, speziell bei der jüngeren Generation…
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Liebe Frau Raether-Lordieck,
gerne will ich mal aus meiner Sicht versuchen, Ihre Frage (selbstverständlich unvollständig) zu beantworten.
In der Vergangenheit gab es aufgrund der „alten“ Familienmodelle mehr Männer in entscheidenden Postionen der Wirtschaft. Dieses Familienmodell erfährt erst in den letzten Jahrzehnten einen Wandel.
Die Chancen heterogener Teams (das gilt auch für die Altersmischung) liegen darin, dass jeder seine Stärken und Erfahrungen ausspielen kann. Es gibt viele soziologische Studien, die jedoch zeigen, dass viele Frauen sich „männlich“ verhalten und damit die mögliche Stärke eines solchen Team konterkarieren. Das gilt auch für Frauen, die Karriere machen möchten. Wohlgemerkt, das trifft nicht auf alle Frauen zu. Persönlich finde ich es sehr schade, wenn Frauen – bewusst oder unbewusst – meinen, sie müssten sich verhalten wie Männer, um „weiterzukommen“. Es gibt ja, Gott sei Dank, inzwischen auch Beispiele von Frauen in Führungspositionen, die durch ihre weiblichen Eigenschaften (ich bin hier weit von sexistischem Gedankengut entfernt!) Unternehmen und Teams voranbringen. Das sollten männliche Führungskräfte zulassen. Und da kommen wir zu einem weiteren Grund, für den Mangel an weiblichen Führungskräften. Viele männliche Führungskräfte handeln und denken immer noch patriarchalisch und lassen genau diese Stärken einer Frau in ihrem Umfeld nicht zu. Traurig, aber wahr.
So lange das Ausfahren der Ellenbogen und ein psychopathisches Verhalten ohne jegliche Empathie als Führungsstärke gelten, wird sich an dieser Situation auch nichts ändern. Leider.
Aber das ist mehr als nur ein abendfüllendes Thema.
Beste Grüße
Axel Salzsieder
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Von Herzen Dank für diesen „besinnlichen“ Moment. Das Lesen dieser Zeilen verursacht ein Innehalten. Derartige Momente sollten wir in unseren Alltag viel häufiger einbauen.
Grenzen setzen ist dann eben doch nicht nur ein Element im Umgang mit unseren Sprösslingen und innere Grenzen zu öffnen ein wichtiger Teil des eigenen Reifeprozesses.
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Herzlichen Dank für Ihre positive Rückmeldung, über die ich mich sehr gefreut habe! 🙂
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Was für ein toller Artikel!!! Ich musste mich Stück weit zusammenreißen…Ihre Haltung gefllt mir!!!.Klasse geschrieben!!!!
Herzliche Grüße
Agnes Malcher
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Hallo Frau Malcher,
es freut mich, dass Ihnen meine Gedanken gefallen haben! Mir ging es beim Schreiben ähnlich wie Ihnen, nicht nur, weil ich viele Jahre bei einem der erwähnten Unernehmen tätig war und die handelnden Personen kannte. Sondern auch, weil ich selbst drei Kinder habe und für diese viel zu oft viel zu wenig Zeit hatte…
Viele Grüße
Ernst Holzmann
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