Nicht nur in unserem Land gibt es hitzige Diskussionen zum Thema Klimawandel. Ob es ihn überhaupt gibt, wer und was dafür verantwortlich ist, ob man ihn überhaupt noch aufhalten kann und wenn ja, wie. Und natürlich steht dieses Thema zwischenzeitlich auch ganz oben auf der Agenda der Politik. National und International, ganz speziell auch im Mittelpunkt der Verantwortlichen der Europäischen Union.

Christine Lagarde und Ursula von der Leyen wollen das Klima mit einem europäischen „Green Deal“ retten – und dafür offenbar die geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank (EZB) nutzen. Doch darf EZB-Chefin Lagarde das Mandat der Euro-Notenbank überhaupt derart ausweiten – hin zu einer grünen Planwirtschaft?

Im nachfolgenden Gast-Beitrag kommentiert Thorsten Beckmann dieses Vorhaben:

Drei Billionen Euro für CO2-Neutralität

„Bereits vor Weihnachten hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den europäischen „Green Deal“ verkündet. Der „Green Deal“ soll Europa zum „ersten klimaneutralen Kontinent der Welt“ machen. Von der Leyen möchte, dass sich die EU-Staaten dazu verpflichten, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Um die EU bis zum Jahr 2050 in die CO2-Neutralität zu führen, veranschlagt von der Leyen allein in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von einer Billion Euro. Bis 2050 könnten es bis zu drei Billionen Euro werden. Besonders hart betroffene Regionen, die etwa derzeit noch von der Braunkohle abhängen, sollen über einen mit 100 Milliarden Euro ausgestatteten „Just Transition Fonds“ Unterstützung erfahren.

Die Finanzierung des Green Deals – auch mit Hilfe der EZB?

Woher soll das Geld für den Green Deal kommen? Offenbar soll die EZB eine maßgebliche Rolle bei der Umsetzung der Klimapolitik Ursula von der Leyens spielen, auch bei der Finanzierung. EZB-Chefin Lagarde äußerte bei einer Pressekonferenz bereits die Hoffnung, dass der grüne Deal „von allen europäischen Institutionen unterstützt werden kann – innerhalb ihrer Mandate.“ Offensichtlich sieht Lagarde also auch die EZB in der Pflicht.

Die originären Aufgaben der EZB

Bislang ist die vorrangige Aufgabe der EZB, Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten und so die Kaufkraft der gemeinsamen Währung zu erhalten. Wobei die EZB als „optimale Inflation“ einen Wert von zwei Prozent definiert hat. Mit einer Inflationsrate in Höhe von 1,7 Prozent für Januar ist Deutschland aktuell nah dran an diesem „Optimalwert“.

Die EZB soll sich also primär um unsere Währung kümmern. Sie soll eine Deflation, aber auch eine übermäßige Inflation, durch geldpolitische Maßnahmen abwehren. In den vergangenen Jahren hat die EZB außerdem verhindert, dass die europäische Währungsunion kollabiert ist – etwa über den bis auf null Prozent gesenkten Leitzins. Schuldenstaaten wie Griechenland, Italien und Portugal sind auch deshalb bislang nicht in die Pleite gerutscht, weil sie wegen günstiger Finanzierungskonditionen ihre alten Schulden bedienen und munter neue Kredite aufnehmen können. Man kann Maßnahmen wie die Nullzinspolitik der EZB durchaus als grenzwertige Wirtschaftspolitik kritisieren. Aber immerhin hat sich die Zentralbank damit nicht meilenweit von ihrem Auftrag der Preisstabilität entfernt und vermutlich auch den Euro gerettet.

Der Green Deal würde einen Paradigmenwechsel bedeuten

Beim Green Deal sieht das anders aus. Es ist nicht originäre Aufgabe der EZB, Aktien oder Anleihen von „grünen“ Unternehmen zu kaufen. Oder Geld in ein öffentliches Kreditinstitut wie die Europäische Investitionsbank fließen zu lassen, die dann damit wiederum theoretisch Umweltprojekte finanzieren kann. So sinnvoll das für den Klimaschutz auch erscheinen mag, es ist schlicht nicht der Auftrag der Währungshüter. Die EZB darf ihr Mandat nicht selbst definieren und einem „Green Deal“ anpassen.

Ohnehin scheint die Finanzierung und Durchführung des gigantischen Plans von Ursula von der Leyen ungewiss. Mit Großbritannien verlässt derzeit die zweitgrößte Wirtschaftsmacht Europas die Europäische Union. Dass die Briten sich dennoch einem kostspieligen „Green Deal“ anschließen, ist unwahrscheinlich. Und ohne Großbritannien ist die EU politisch und vor allem wirtschaftlich so sehr geschwächt, dass von der Leyen vor einer Mammutaufgabe steht. Die EZB darf ihr deshalb trotzdem nicht zur Seite springen und zu einer „Öko-EZB“ mutieren.“

 

Soweit die Analyse und das Statement von Thorsten Beckmann*. Wobei zwischenzeitlich noch eine aktuelle, ganz besondere Herausforderung auf die EZB wartet. Nämlich die sich schon abzeichnende Rezession, nicht nur im Euro-Raum. Verursacht durch die Folgen des Coronavirus, der ganz Wirtschaftszweige (Transport, Fluggesellschaften, Veranstaltungen, Produzierendes Gewerbe, Touristik,…) massiv in Bedrängnis bringt. Und hier wieder einmal die Kunst der Währungshüter gefragt ist, den bedrohten Wirtschaftszweigen und Ländern (Italien!!!) zur Seite zu springen.

 

*Thorsten Beckmann ist Geschäftsführer und CFO der Kommunikationsagentur achtung! In dieser Verantwortung ist er jeden Tag nicht nur mit Themen aus der Finanzwelt konfrontiert. Sondern auch mit den Herausforderungen – und den damit verbundenen Chancen – , welche durch die Digitalisierung für sein Unternehmen und dessen Kunden entstehen.