Der gegenseitige Respekt in unserer Gesellschaft scheint immer mehr verloren zu gehen. Im Gegenteil: Immer mehr Neid auf andere und sogar Hass auf einzelne Personen bricht sich Bahn. Und leider ensteht aus diesem respektlosen, aggressiven und rücksichtslosen Umgehen im miteinander sogar Gewalt. Warum schwindet der Respekt in unserer Gesellschaft immer mehr, was können wir an dieser Situation ändern?
Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir fachkundige Unterstützung geholt. Von Janine Katharina Poetsch, die u.a. als Kommunikations- und Knigge-Trainerin agiert. Und in deren Kursen Kinder, Jugendliche und Erwachsene auch lernen, warum Respekt in unserer Gesellschaft so wichtig ist. Vielleicht wichtiger denn je. Ihre Gedanken und Impulse erfahren Sie in nachfolgendem Beitrag:
“ Die vier Säulen von Respekt
Respekt wird auch mit Achtung und Akzeptanz in Verbindung gebracht. Und für mich wird Respekt in unserer Gesellschaft von vier wichtigen Säulen getragen:
- Mich selbst akzeptieren und respektieren
- Respektvoller Umgang mit meiner Familie, meinen Freunden und meinem Partner
- Ein respektvolles Miteinander im Beruf – Privatsphäre respektieren
- Respekt in unserer Wegwerfgesellschaft: Weniger ist mehr – Keine Ausbeutung von Natur und Tier – Respekt für die Welt nach mir
Und da es in meinem Gastbeitrag um Respekt in unserer Gesellschaft gehen soll, konzentriere ich mich dabei auf die Punkte 1-3, den respektvollen Umgang mit Menschen.
Respektvoller Umgang mit mir selbst
Der Dreiklang von Körper, Geist und Seele
Respekt fängt immer bei mir selbst an. Normalerweise weiß ich doch selbst am besten, was mir – meiner Seele, meinem Geist und meinem Körper – gut tut. Dennoch erleben wir oft das Gegenteil. Ich erlebe viele Menschen, die nicht auf ihre Gesundheit achten und respektlos mit ihren eigenen Ressourcen umgehen. Ist es wirklich mangelndes Interesse an sich selbst? Oder, weil wir meinen, uns als bemitleidenswertes Geschöpf („mir geht es ja so schlecht…“) präsentieren zu müssen. Um dann entsprechende Aufmerksamkeit und Zuneigung zu bekommen, die wir in einem „normalen“ Zustand vermissen? Muss es denn sein, dass wir unsere Gesundheit leichtfertig aufs Spiel setzen, auch zu Lasten anderer? Was hindert uns daran, regelmäßig etwas für unseren Körper zu tun? Achten Sie dabei auf sich selbst, oder leben Sie nach den Spielregeln – auch falschen Idealen – von anderen?
Lassen Sie Ihren Geist und Ihre Seele zur Ruhe kommen?
Ich frage mich auch, ob wir uns den Spielregeln der Digitalisierung anpassen, vielleicht sogar unterwerfen müssen. Wie z.B. stundenlang im Internet surfen, bei jeder Gelegenheit Selfies zu machen und ständig online zu sein. Und uns dann zu wundern, warum wir nicht abschalten und Abends schlecht in den Schlaf finden können. Oder nur noch Fastfood essen, statt in einer Gemeinschaft zu kochen und in Gesellschaft von Freunden zusammen zu sein. Und auch einen gewissen Respekt vor dem Essen – und den darin befindlichen Zutaten und deren Herkunft – zu zeigen.
Respektieren Sie Ihr eigenes Leben und die damit verbundene Verantwortung
Wie wäre es, wenn wir endlich aufhören würden, anderen Menschen, oder Umständen aus der Vergangenheit, die Schuld für unser heutiges Leben zu geben? Jeder ist doch seines Glückes Schmied und hat alle Möglichkeiten etwas aus seinem Leben zu machen. Ich frage mich oft, wo wir das gelernt haben, Verantwortung für unser Leben an andere abzugeben. Hört damit nicht der Respekt gegenüber mir selbst, mein Glaube an mich und meine Fähigkeiten, auf?
Denn ich kenne mich selbst doch am besten und müsste wissen, was gut – oder nicht – für mich ist. Wenn ich Verantwortung bewusst abgebe und es zulasse, dass andere mein Leben bestimmen, dann agiere ich doch als Marionette. Und nicht als eigenständiger, „unvergleichbarer“ Mensch, der sein Leben selbst lebt. Auch, wenn dann dieses leben manchmal mit Rückschlägen, Enttäuschungen und Frustrationen verbunden sein kann. Aus denen wir aber lernen sollten und uns nicht entmutigen lassen dürfen.
Verantwortung für das Leben anderer zu übernehmen, hat aber seine Grenzen
Verantwortung kann ich aber nur für mich selbst übernehmen, vielleicht noch für die Menschen (Kinder, Pflegebedürftige Angehörige,…), die bis zu einem gewissen Grad von mir abhängig sind. Aber ich sollte mir nicht anmaßen – und mir das auch nicht einreden lassen – dass ich für das Leben von anderen verantwortlich bin.
Respektvoller Umgang mit meiner Familie und meinen Freunden
Gebt Kindern Flügel!
Ich kenne viele Menschen, die in ihrer Familie heillos zerstritten sind. Und einsam ihr Leben fristen müssen, weil keiner mehr etwas mit ihnen zu tun haben möchte. Meiner Meinung nach hat dieser Zustand sehr viel damit zu tun, dass wir die Einzigartigkeit, oder die persönliche Weiterentwicklung von anderen, nicht akzeptieren können oder wollen. Und oft meinen, der oder die sollte genau das machen, was wir für richtig halten. Gerade Kinder entwickeln sich doch weiter, dass soll ja so sein. Und die alte Empfehlung von stimmt einfach: „Wenn Kinder klein sind, gib ihnen starke Wurzeln. Und wenn sie größer werden, dann schenke ihnen kräftige Flügel!“ Dass dann Kinder oft woanders „hinfliegen“, als es sich die Eltern gewünscht haben, ist einfach der Lauf der Welt. Siehe auch meine o.a. Gedanken über „Verantwortung für andere übernehmen“.
Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft
Auf der anderen Seite ist doch die Familie die Keimzelle einer Gesellschaft und der Humus für ein respektvolles Zusammenleben. Sie kann uns auffangen, wenn es uns schlecht geht und für uns da sein, wenn wir sie brauchen. Nehmen Sie sich deswegen die Zeit und pflegen Sie die Beziehungen mit ihrer Familie. Sie haben vielleicht sogar schon feststellen müssen, dass es bei tatsächlichen, persönlichen „Katastrophen“ nur Personen aus diesem Umfeld sind, auf die Sie sich tatsächlich verlassen können.
Respekt im beruflichen Umfeld – Privatsphäre respektieren
Fairness, Ehrlichkeit und Bescheidenheit – Statt purer Egoismus und Ausbeutung
Mal ehrlich, kommen wir im beruflichen Umfeld wirklich nur noch mit Ellbogenmentalität, Respektlosigkeit und ständigem Kräfte messen in oft ausgeschöpften oder übersättigten Märkten weiter? Oder ist es nicht eher an der Zeit, sich endlich wieder an den Werten – Fairness, Ehrlichkeit und Bescheidenheit – eines Ehrbaren Kaufmanns zu orientieren?
Heißt Respekt, als Verantwortung im Business, nicht auch, sich wieder mehr für seine Mitarbeiter und Geschäftspartner zu interessieren? Weg vom Egoismus und hin zum gemeinschaftlichen und wertschätzenden Miteinander? Eben Wert-Schöpfung durch Wertschätzung. Und nicht blanker „Raubtierkapitalismus“, mit rücksichtslosem Ausbeuten der menschlichen Ressourcen. Wie sollen Werte und Leitbilder geschaffen werden, wenn diese nicht von den Führungskräften vorgelebt werden? Junge Menschen sind die neue „Sinnsucher-Gesellschaft“. Sinnsucher auf der Suche nach Vorbildern und „Leitplanken“ für ihr Leben, an denen sie sich orientieren und ausrichten können.
Respektvoller Umgang wirkt wie ein Magnet
Die junge Generation lebt eben nicht mehr nach der Devise „Leben um zu Arbeiten“. Sondern sucht den Sinn in dieser Arbeit und arbeitet im Zweifel einfach, um von dem „Lohn“ ihrer Arbeit leben zu können. Suchen sich die Unternehmen aus, die ihren Wertvorstellungen entsprechen. Und gerade Werte wie Respekt und Wertschätzung wirken dabei als wichtige Elemente einer neuen Unternehmenskultur, fast so, wie ein Magnet. Nicht nur auf die Mitarbeiter/innen, sondern auch immer stärker für Geschäftspartner und Kunden.
Distanzzonen kennen und wahren – Die Privatsphäre akzeptieren
Respekt im künstlichen „Second Life“
Im Zeitalter der Digitalisierung und im künstlichen „Second Life“, hat leider jeder die Möglichkeit, gewisse Regeln des respektvollen Umgangs im miteinander zu überschreiten. Seine eigenen „Spielregeln“ zu bestimmen und dies auch noch unter dem Schutz der eigenen Anonymität. Das ist auch bis zu einem gewissen Grad in Ordnung. Menschen sind Individuen, die sich nicht zwangsläufig einem Kollektiv unterwerfen. Und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut unseres Zusammenlebens und unserer Gesellschaftsform. Aber die Freiheit des Einzelnen hört doch dort auf, wo sie in die Freiheit des anderen eingreift. Und Meinungsfreiheit hat dort ihre Grenzen, wenn sie zur (auch noch anonymen) Hetze, Diffamierung, Diskreditierung und Beleidigung von anderen Menschen missbraucht wird. Nicht umsonst gibt es dazu sogar entsprechende Gesetze, die zu meinem Entsetzen aber immer weniger, oder nicht konsequent genug, angewendet werden.
Respektieren der Privatsphäre – Zeigen Sie Interesse an Ihrem Gegenüber
Distanzüberschreitungen passieren öfter als Sie denken. Können dadurch wertschätzende Beziehungen entstehen? Ich sage nein, denn Beziehungen sind wie ein zartes Pflänzchen, welches die richtige Dosis zwischen Nähe und Distanz zum Wachstum benötigt. Normalerweise können wir schon an der Körpersprache erkennen, welche Distanzzone und Art der persönlichen Begrüßung bei unserem Gegenüber angemessen ist. Um das zu erkennen und beachten, braucht es echtes Interesse an der jeweiligen Person. Und absolute Aufmerksamkeit und Präsenz im persönlichen Gespräch. Jeder Mensch hat seine eigene Privatsphäre und das ist auch gut so. Es gibt Menschen, die – so wie ich – eher förmlich und distanziert sind. Und deswegen auch so behandelt werden möchten. Bis sie Vertrauen zu der jeweiligen Person gefasst haben und anfangen, sich zu öffnen. Oft bin ich aber erstaunt, wie schnell Menschen – gerade im Businesskontext und beim ersten Zusammentreffen – glauben, sie sind auf einer intimen Privatveranstaltung. Und „überrennen“ einen gleich mit ihrem „Duzen“. Ohne erst einmal zu überlegen, in welchem Umfeld sie sich befinden und ob diese Ansprache angebracht, oder gewünscht ist.“
Soweit die Gedanken von Janine Katharina Pötsch über Respekt in unserer Gesellschaft. Die nicht nur zum Nachdenken anregen sollen. Sondern ganz speziell auch als Impuls für ein entsprechendes Verhalten und Wirken in unserer Gesellschaft. Inhalte dieses Beitrags sind in ähnlicher Form Teil des Buches „Verantwortung tragen – Impulse für Führungs- und Zukunftsbewusstsein„ von Stéphane Etrillard. Herausgegeben im Goldegg Verlag unter der ISBN 978-3-99060-117-4
Ich finde mich mit meinen Gedanken in jedem Absatz wieder. Wir haben bei der Kaufmännischen Krankenkasse den Wert Respekt ins Führungsleitbild integriert, da er für uns auch im Businesskontext elementar wichtig ist.
Aus meiner Sicht werden wir in erster Linie fast austomatisch respektvoller, wenn wir Dankbarkeit leben können. Die dazugehörige Basisemotion ist die Freude, ankommen, um Frieden zu finden. In der Dankbarkeit für uns selbst, für die Einzigartigkeit des anderen und die Fülle der Natur steckt für mich der Ursprung einer respektvollen Haltung.
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Hm… alleine die Überschrift ist ja schon fast populistisch und bedient sich gleicher Diskussionsfreude wie die Kommunikation der AfD.
Warum wird etwas soundso… – Schwups, mal schnell eine These aufgestellt.
Belege zu dieser These? Nein, warum?
Reicht doch ein subjektives Gefühl….
Schwach.
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Hallo Herr „Mühlhausen“?
vielen Dank für Ihren Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe!
Sehr gerne gebe ich Ihnen ein paar kleine Ereignisse bzgl. dem schwindenden Respekt in unserer Gesellschaft:
1) Angeblich „besorgte“ Bürger/innen tragen Galgen mit Aufschriften von Politiker/innen durch unsere Strassen.
2) Ein Politiker einer angeblich „alternativen“ Partei meint, „dass die Leute Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollen“. Oder möchte eine unliebsame Politikerin am liebsten „in Anatolien entsorgen“.
3) Tausende von üblen Hass-Kommentaren gegenüber Menschen – nicht nur gegen Greta Thunberg, Carola Rackete, Herbert Grönemeyer, oder Claudia Roth – im „Netz“. Und dies zu überwiegenden Teilen unter Pseudonymen.
4) Manipulationen der Autoindustrie = Respektloses Verhalten gegenüber den Käufern, der Gesellschaft und gegenüber der Umwelt
5) Der tägliche „Überlebenskampf“ auf unseren Strassen. Bei dem Egoismus und Rücksichtslosigkeit immer mehr zunimmt.
Sollten Sie mit all diesen Erwähnungen nichts zu tun haben – oder diese möglicherweise erst gar nicht bemerkt haben, dann kann ich Ihnen dazu nur gratulieren. Und hoffe, dass Ihnen jeden Tag der nötige Respekt entgegengebracht wird!
Mit respektvollen Grüßen
Ernst Holzmann
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In dem Bericht steckt sicherlich viel richtiger Inhalt.
Nur ein elementarer Themenblock wurde komplett ausgeblendet.
Die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, verbunden mit einer ebenso wachsenden Chancenungleichheit in Deutschland. Da sind wir auf dem besten Wege us-amerikanische Verhältnissse zu bekommen.
Dies ist gerade im Ruhrgebiet sehr offensichtlich.
Essen-Werden und Essen-Altenessen sind beinahe so ungleich wie in Los Angeles Bel Air und South Central.
Nur durch Bildung, Perspektiven und einem entsprechendem Angebot an kostenfreien Freizeitaktivitäten für junge Menschen kann Respekt, Toleranz, Teamfähigkeit etc trainiert werden.
Zu große Ungleichheit produziert Neid, Mißgunst, Kriminalität, politische und religiöse Radikalisierung sowie Paralellgesellschaften.
An der Stelle ist die Politik ebenso wie die Wirtschaft in der Pflicht
diese gravierenden Probleme anzugehen.
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Vielen Dank für Ihre Rückmeldung und die entsprechenden, richtigen Hinweise! Ich stimme Ihnen zu, dass der Verlust der Menschenwürde viele Menschen in die Isolation, Frustration und Aggression treibt. Der Respekt gegenüber anderen geht verloren, die Hemmschwelle zu Hass und Gewalt sinkt immer mehr.
Meine Gedanken dazu erhalten Sie in diesem Beitrag: https://myklartext.com/2018/12/02/die-wuerde-des-menschen-gebt-sie-ihnen-zurueck/
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Mich spricht besonders der Satz „Respekt fängt immer bei mir selbst an“ an. Nach meiner Erfahrung (@Mühlhausen – das ist tatsächlich nur ein Gefühl) können z.B. Führungskräfte, die mit sich selbst im Reinen sind und sich selbst respektieren, ihre Mitarbeiter empowern und Kritik zulassen, ohne sich selbst angegriffen zu fühlen. Verkäufer interessieren sich wirklich dafür, was das Beste für ihren Kunden ist – und nicht für ihren Bonus. Eltern können sich darüber freuen, dass ihre Kinder widersprechen oder in die Welt aufbrechen, ohne zu klammern.
Ich wünsche mir, dass viele Menschen mehr die Möglichkeit haben (@Marco Schindler: ja, die Ungleichheit abzumildern gehört auch dazu), sich selbst in Ruhe kennen- und respektieren zu lernen – ohne sich von irrealen Vorbildern beeinflussen zu lassen.
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Absolut richtig! Veränderungen fangen immer bei einem selbst an…
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Mir gefällt Ihr Artikel sehr und zwei Zitate fallen mir dazu ein:
„Die Freiheit eines jenen beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört.“ Immanuel Kant und „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ Rosa Luxemburg.
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