Donald Trump, Uli Hoeneß oder auch Markus Söder zeigen uns fast jeden Tag, wie Menschen an die Macht kommen, diese dann für sich selber nutzen und sie mit „Zähnen und Klauen“ verteidigen. Es scheint tatsächlich so, dass wir eine Rückkehr dieser Machtmenschen erleben, eine Rückkehr des Patriarchats und dies im 21. Jahrhundert. Und 100 Jahre nachdem Frauen das Wahlrecht in Europa erkämpften. Was zeichnet jetzt diese Machtmenschen aus, wie erkennt man diese auch im täglichen Alltag – besonders auch im Beruf – und wie geht man am besten mit ihnen um? Zur Beantwortung dieser Fragen habe ich mir fachkundige Unterstützung von Mira Christine Mühlenhof* geholt.  Die sich beruflich intensiv mit unterschiedlichen Persönlichkeiten beschäftigt, deren „Intrinsische Motivation“ erkundet und diese offenlegt:

Ein Beispiel aus Unternehmen

In Ihrer Firma ist seit drei Jahren Herr H. tätig, der schnell in eine hohe Position hineingewachsen ist, viel Verantwortung übernimmt, diese auch tragen kann und einen enormen Karrierewillen hat. Prima, einen besseren Mitarbeiter kann man sich gar nicht für diesen Führungsposten wünschen. Wenn da nicht immer diese Wutausbrüche wären. Wenn sie auftreten, bügelt Herr H. seine Kollegen und Kunden lautstark herunter, er zeigt dann jedem, was er von ihm hält – und das ist oftmals nichts Gutes. Er hat schnell das Gefühl, man wolle ihm seine Position streitig machen und dagegen wehrt er sich. Angriff ist für ihn die beste Verteidigung. Man könnte sagen, dass er sich permanent „an den Karren gepinkelt“ fühlt. Solche Situationen sind schwer zu meistern, weil sie viel verbrannte Erde hinterlassen. Kaum ein Kollege ist mehr bereit, diese Emotionsausbrüche auszuhalten. Manche haben schon mit Kündigung gedroht. Eine solche Arbeitsatmosphäre könnte auf Dauer heikel werden, weil Herr H. mit seinem dominanten Auftreten sowohl Kollegen als auch Kunden Angst einflößt. Obwohl er seinen Job zu hundert Prozent gut macht, zerstört sein respektloses Auftreten das gute Arbeitsklima. Und mit seinem Machtwillen kommt er vielleicht sogar Ihnen als Vorgesetzten in die Quere.

Kurz: Die Kollegen von Herrn H. fühlen sich dominiert und verweigern die Kooperation. Sie gehen Herrn H. aus dem Weg und beschweren sich über ihn – natürlich hinter seinem Rücken, weil sie die Konfrontation fürchten.

Soweit ein mögliches Szenario für das Arbeitsleben eines Charakters mit dem Muster Macht.  Wir haben es auch hier mit einem Archetypus zu tun, den wir aus vielen Geschichten kennen: Etwa den „Paten“ aus dem gleichnamigen Epos oder Darth Vader aus den Star-Wars-Filmen. Aber dessen Verhalten auch bestens zu den am Anfang aufgezählten Politikern bzw. zum Präsidenten eines bayrischen Fußball-Clubs passt.

Wie erkenne ich Machtmenschen, was zeichnet diese aus?

Um einen Machtmenschen zu verstehen, müssen wir die Wirkung seines unbewussten Antriebs betrachten. Dieses Muster ist angetrieben von der intrinsischen Motivation (=innerer Antrieb) Macht. Der Mensch ist auf dieses Produkt seiner Maschine fixiert.

Wie wirkt diese Maschine auf Sie? Was können Sie heraus lesen? Wie könnte ein Mensch sein, der eine solche Maschine in sich trägt?

Einige Assoziationen zur Maschine Macht, wie diese auf Menschen wirkt.

Diese Maschine

  • wirkt grimmig, fest und starr
  • ist kantig, solide, ernst, furchteinflössend, herrisch, unnachgiebig, und streng
  • will was zu sagen haben, geht über Leichen, hat keinen Respekt vor anderen

Menschen mit diesem Muster zeichnen sich durch ein omnipräsentes Selbstbewusstsein, Durchsetzungsstärke, Konfrontationswillen und eine stark ausgeprägte Lust zur Provokation aus. Sie sind kompromisslos und lieben die Unabhängigkeit, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Unter keinen Umständen möchten sie beherrscht werden. Sie wollen selber Macht ausüben, stets gewinnen und nach ganz oben. Nach außen zeigen sie eine harte Schale und treten anderen Menschen auch gerne auf den Schlips, meist ohne es zu bemerken. Durch ihre Selbstsicherheit sind sie von ihrem Einfluss, den sie auf andere Menschen haben, stets zu hundert Prozent überzeugt. Ihren weichen Kern zeigen sie selten bis gar nicht, beziehungsweise nur denjenigen, denen sie wirklich vertrauen. Dann kann sich ein Machtmensch sogar auch in einen verletzlichen und liebevollen Partner verwandeln.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg: Nähe und Intimität sind für diese Menschen gleichbedeutend mit emotionaler Verwundbarkeit. Und genau davor haben sie am meisten Angst: Verwundbar zu sein oder verraten zu werden. Deswegen tun sie sich so schwer, Vertrauen aufzubauen. Ist dieser Schritt aber erst mal vollbracht, stehen sie anderen als enger Verbündeter und treuer Freund zur Seite. Der Beschützerinstinkt ist besonders der Familie gegenüber stark ausgeprägt. Besonders gegenüber Kindern können diese Menschen sehr sanft und liebevoll sein – weil diese für sie keine Bedrohung darstellen.

Was ist für diese Menschen noch charakteristisch?

  • Anspruch: Diese Menschen sind triebgesteuert und haben ein starkes körperliches Verlangen nach Befriedigung aller möglichen Gelüste. Und sie geben diesen auch ohne Schuldgefühle nach. Ihr Anspruch in allen Lebenslagen lautet: „Ich habe es mir verdient“ oder „Es steht mir zu“.
  • Körpersprache: Diese Menschen demonstrieren ihre Macht durch ihre Körperhaltung. Typisch ist die so genannte „Pascha-Sitzhaltung“ (nach hinten gelehnter Oberkörper, Bauch nach vorn, Beine auseinander, Arme hinter dem Kopf verschränkt).
  • Wohnung und Umgebung: Der Machtmensch ist geschmacklich eher konservativ, Schnörkel, Accessoires und Deko braucht er nicht. Auch modisch gesehen ist dieser Mensch auf seinen Machtstatus fixiert. Durch Kleidung kann er seine Führungsposition perfekt ausdrücken, indem er sich in teuren Anzügen zeigt (siehe Gerhard Schröder als „Brioni-Kanzler“) und eine teure Uhr am Handgelenk trägt.
  • Umgang im Miteinander: Menschen mit diesem Muster tragen viel Ärger mit sich herum. Wenn sie provoziert werden, bekommt man es schnell mit einem ordentlichen Wutausbruch zu tun, bei dem auch gern mal die Hand ausrutscht. Sie können sehr aggressiv reagieren: Ihr Körper ist schneller als ihr Verstand. Man könnte meinen, dass dieses Persönlichkeitsmuster für das sogenannte „HB-Männchen“ (eine alte Werbung für eine Zigaretten-Marke) Pate gestanden hat.  Im Kontakt sind sie ebenfalls expressiv, zum Beispiel schlagen sie anderen zur Begrüßung kräftig auf die Schulter und rufen: „Na, altes Haus, wie geht‘s?“

Wenn Sie jetzt denken „Ja, Herr H. ist doch genauso“, dann überlegen Sie weiter: „Haben Sie Herrn H. auch mal weich und sanft erlebt? Was fällt an seiner Mimik und Gestik auf? Sie werden sicher feststellen, dass Herr H. sich herrisch und dominant bewegt und andere dadurch einschüchtert. Wird er häufig so richtig wütend? Alles Aspekte, die Grund zu der Annahme bieten, dass Herr H. ein auf Macht fixierter Charakter sein könnte.

Wie gehe ich mit Machtmenschen am besten um?

Wie können Sie zum Beispiel Herrn H. erklären, dass die Kollegen unter seiner Dominanz leiden, seinen Herrscherwillen nicht mehr akzeptieren wollen, dass sie sich unwohl fühlen – und dass Sie selbst auch der Meinung sind, dass er an einigen Stellen zu weit geht?

Keine leichte Aufgabe, denn Sie müssen davon ausgehen, dass Herr H. sich selbst an diesem Punkt selten bis gar nicht hinterfragt hat. Er weiß nicht, dass dieses Muster in ihm aktiv ist. Für ihn ist seine innere Welt zumeist in Ordnung. Selbst wenn es manchmal kurz in ihm aufblitzen mag, dass vielleicht irgendetwas nicht ganz rund läuft (wenn niemand es mehr wagt, ihm Widerworte zu geben und die Kollegen ihn schneiden, vor ihm in Deckung gehen), kann diese dem eigenen Verhalten nicht zugeordnet werden.

So können Sie sich als Chef die Frage stellen: Wie gehe ich auf einen Menschen zu, bei dem ich das Gefühl habe, er ist im Muster Macht unterwegs, er macht sich und anderen damit das Leben schwer, hat aber keine Ahnung davon? Genau hier handelt es sich um den sogenannten blinden Fleck: Sein Muster ist Herrn B. nicht bewusst. Deswegen erfordert es Fingerspitzengefühl, an diesen Menschen heranzutreten.

Was also können Sie als Chef tun?

Vermitteln Sie diesem Mitarbeiter das Gefühl, dass niemand ihm etwas Böses will. Für ihn besteht die schlimmste Vorstellung darin, die Macht/Kontrolle zu verlieren und sich einer anderen Person unterordnen zu müssen. Ein Machtmensch braucht das Gefühl, dass er nicht betrogen und nicht verarscht wird. Dieses dafür notwendige Vertrauen kann er allerdings nur langsam aufbauen, also geben Sie ihm Zeit.

Menschen, die sich im Muster Macht wiederfinden, können in einem entwickelten Zustand sehr bedacht und vernünftig, bodenständig, beschützend, hilfreich und anderen unter die Arme greifend sein.“

Nach dieser Analyse von Frau Mühlenhof und ihren entsprechenden Tipps bleibt am Schluss für mich nur die große Frage, ob die am Anfang dieses Beitrags erwähnten Personen wirklich diesen Weg („bedacht und vernünftig, hilfreich,…“) noch gehen können oder überhaupt wollen. Da sich manche davon schon im „fortgeschrittenen“ Alter befinden, ist meine entsprechende Hoffnung allerdings gering, vor allem, wenn man sich die letzten Auftritte dieser Protagonisten ansieht. Und ganz speziell, dass diese Menschen ja nicht einfach so in ihre Machtposition kamen. Sondern in ihre Ämter von vielen Menschen ganz bewusst gewählt wurden. Was diese Wähler*innen dazu bewogen hat, wäre allerdings wieder eine ganz andere Untersuchung wert…

 

*Wie sollen andere mich verstehen, wenn ich mich selbst nicht richtig kenne? – diese Frage ist der rote Faden im Leben von Mira Christine Mühlenhof und inspirierte sie dazu, die Kraft der intrinsischen Motivation zu erforschen. Gemeinsam mit ihrem Team berät sie als Coach und Trainerin kleine und mittelständische Unternehmen und Privatpersonen zu den Themen Veränderung, Entwicklung, Kundenbeziehungen und nachhaltiger Motivation.  Gerade ist ihr Buch „Chefsache Intrinsische Motivation“ erschienen, in dem sie aufzeigt, welche intrinsischen Motivationen es gibt und wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter damit erreichen können.