Vollig losgelöst, oder Major Tom, das war das Lied von Peter Schilling, mit dem er im Herbst 1982 auf Platz eins der Charts stürmte und mit auf der damaligen „Neuen Deutschen Welle“ surfte. Drei Jahre danach, als im März 1979 die „Grünen“ in Frankfurt/Mai als „Sonstige Politische Vereinigung“ gegründet wurden, als Ergebnis einer ähnlichen Situation wie heute. Nämlich der auch damals schon vorhandenen Ignoranz der sog. etablierten Parteien (CDU/CSU und SPD) vor Wettrüsten, Umweltverschmutzung, Diskriminierung, Überwachung und den Gefahren von konventionellen und vor allem vor Atomkraftwerken. Fast 30 Jahre später scheint es diese Partei geschafft zu haben, eine neue „Deutsche Welle“ zu verursachen und dies vielleicht dauerhafter, als es im Musikgeschäft möglich und üblich ist.
Was sind nun die Gründe für den aktuellen Höhenflug der „Grünen“ und der für sie immer breiter werdenden Zustimmung in der ganzen Bevölkerung? Nach meiner Beobachtung und Analyse ist es ein „Dreiklang“ aus frischem Personal, scharfem Profil und klarer Kante gegen Populisten.
Das Personal: Frisch, jung, optimistisch, weltoffen, authentisch, nicht abgehoben und glaubwürdig.
Egal, ob es die neuen Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sind. Oder Katharina Schulze mitLudwig Hartmann in Bayern und Tarek Al-Wazir in Hessen. Der „als Symbol für den neuen Typus der Grünen steht: Verlässlich, gut vorbereitet und lern- und entwicklungsfähig. Er ist ein Antipopulist, der stets Maß und Mitte hält, das macht ihn für viele wählbar“. So der Bonner Politikprofessor Volker Kronenburg über den Hessischen Spitzenkandidaten. Und die frischen Analysen aus Hessen bestätigen, was die Menschen von Politiker*innen am meisten erwarten: Nämlich Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Einfach nach der Wahl umsetzen, was vorher versprochen wurde. Und wenn man sich hier das Personal der aktuellen GroKo in Berlin ansieht, dann hat deren Verhalten und Auftreten mit Sicherheit auch die letzten Wahlergebnisse in Bayern und Hessen beeinflusst.
Gerade das geschlossene Auftreten der Grünen und der nahezu geräuschlos verlaufene Wechsel an der Parteispitze im Januar 2018, heben sich dagegen wohltuend von dem Getöse der aktuellen Regierung in Berlin ab, dies scheinen die Wähler*innen auch positiv abgespeichert zu haben. Und dass junges, frisches Personal auch die entsprechenden Menschen anzieht, beweist auch das Wahlergebnis in Hessen, welches eine ähnliche Tendenz wie schon in Bayern zeigt. Bei der nämlich in der Altersgruppe bis 25 Jahren die Grünen mit Abstand die höchsten Stimmanteile (26%) aller Parteien hatten.
Profil: Ökologie immer noch als Markenkern, aber angereichert um gesellschaftspolitische Themen
Dass den „Grünen“ bei der Umweltpolitik die höchste Kompetenz (mit 75%) bei den Wahlen in Hessen zugeordnet wurde, überrascht wenig. Sie führt aber auch in der Kategorie „Beste Antworten auf die Zukunft“. Vielleicht auch deswegen, weil es dieser Partei mit ihrem Profil und ihrem modernen, auf die Herausforderungen der Zukunft ausgerichteten Programm, offensichtlich gelingt, immer mehr Menschen anzusprechen und zu begeistern. Zum Beispiel für ein friedliches und freies Miteinander aller Kulturen und Religionen, Weltoffenheit und für Solidarität in einem starken Europa. Für Tier- und Artenschutz sowieso und dabei die Versöhnung von Ökologie mit der Ökonomie im Blick. Und dies eben nicht mehr als „Verbots-Partei“ mit erhobenem Zeigefinger und dogmatisch. Sondern pragmatisch und ohne die nutzlosen, alten Flügelkämpfe zwischen „Fundis“ und „Realos“. Dabei konkrete Lösungen anbietend, für die Probleme, welchen den Menschen wirklich auf den Nägeln brennen: Bezahlbarer Wohnraum, mehr und kostenlose KITA-Plätze, Reduzierung der Folgen (Dreck, Lärm, verschwendete Zeit) des zunehmenden Strassenverkehrs und die tatsächliche Gleichstellung von Geschlechtern.
Klare Kante gegen Populisten und Rassisten: Lieber Weltbürger statt Reichsbürger
Mit ihrer Programm und ihrer Haltung positionieren sich die Grünen als klares Gegenstück zu einer ganz und gar nicht „Alternativen“ Partei, auch mit dem klaren Slogan „Hirn und Herz statt Hass und Hetze“. Oder: „Lieber Weltbürger statt Reichsbürger“. Aber anscheinend ist es in der durch Populisten aufgeheizten Diskussion um die Millionen zur Flucht gezwungenen Menschen einfach so, dass auch hier eine „klare Kante“ und klare Position hilft, sich von anderen Parteien zu unterscheiden und den Wähler*innen eine (deutlich bessere) Alternative zu bieten. Und dass diese Haltung, der Schutz der Werte, die unsere Gesellschaft auszeichnen und diese so stark machen, bei immer mehr Menschen ankommt, beweist eine weitere Analyse aus der Hessenwahl. Dass eben nicht nur die Wähler*innen der Grünen es honorieren, dass diese Partei
- Sich für eine offene und tolerante Gesellschaft einsetzt (81% der Befragten)
- Genauso, wie für eine humane Asylpolitik (69%)
- Oder ganz einfach „die Werte verteidigen, die mir wichtig sind“ (65%)
Ist der Höhenflug der „Jungen Wilden“ nur ein kurzes Strohfeuer?
Diese Frage drängt sich zwangsläufig auf. Nicht nur, weil diese Partei schon Regierungsverantwortung trug, danach aber beinahe im Nichts versank. Sondern auch, weil der aktuelle Höhenflug natürlich durch den verheerenden Auftritt der GroKo in Berlin mit beeinflusst ist. Schon die Wahlen zum EU-Parlament im Mai, aber besonders die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Herbst 2019 werden Klarheit über die weitere Zukunft nicht nur dieser Partei bringen. Wobei hier die Demografie klar auf der Seite der Grünen ist. Nicht nur, weil das klassische Klientel der konservativen Parteien, die über 60 jährigen, zwangsweise immer weniger wird und die jungen Wähler*innen die Grünen präferieren. Sondern auch dadurch, dass die Grünen zum Beispiel auch bei der Wahl in Hessen in den Großstädten mit Abstand die stärkste Partei wurden. Und diese Mischung aus der Präferenz der jungen Menschen und den Menschen, die in großen Städten leben, wird aus meiner Sicht den Höhenflug der bald 40 Jahre jungen Partei so bald nicht aufhalten, ganz im Gegenteil.
Eine Partei, die nächstes Jahr in ihr bestes Alter kommt und noch jede Menge Spass haben wird. Vielleicht nicht gerade die Art von Spass, die Markus mit seinem Song ebenfalls im Jahr 1982 forderte und bei dem er tatsächlich den Benzinpreis auf den Cent genau für das Jahr 2018 vorhersagte: „Und kost‘ Benzin auch Drei Mark Zehn, scheiß egal, es wird schon geh’n….“ Nur hat er (Markus) mit seinem „scheiß egal“ eben nicht recht gehabt. Aber es gibt ja schliesslich die Grünen, irgendjemand muss die Welt ja retten, oder was meinen Sie? :-))