Mit Angela Merkel geht wirklich eine Ära zu Ende, an die wir uns noch lange erinnern werden. „Es ist an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen“. Mit diesem Satz läutete sie gestern das Ende ihrer politischen Karriere ein. Nach dem Wahldebakel ihrer Partei in Hessen, aber auch offensichtlich zermürbt nach dem unsäglichen Schauspiel, welches die GroKo in Berlin die letzten Wochen bot und von den internen Machtkämpfen in ihrer Parteien-Koalition. Zwar hauptsächlich mit einem „Laien-Schauspieler“ aus Bayern verursacht, aber eben mit einer Chefin an der Spitze, welche diese Komödie lange, viel zu lange duldete.

Man kann ja von unserer immer noch amtierenden Bundeskanzlerin halten, was man will. Aber sie hat Deutschland während ihrer 18 Jahre an der Spitze ihrer Partei und während ihrer 13-jährigen Kanzlerschaft immer durch ruhiges Fahrwasser geführt und mutige – natürlich nicht immer populäre – Entscheidungen getroffen. Egal, ob durch die Finanzkrise im Jahr 2008, durch die sog. Griechenland- oder Ukraine-Krise sowieso.

Richtung vorgeben – Entscheidungen treffen – Andere glänzen lassen.

Und zwei Entscheidungen von ihr haben unser Land nachhaltig geprägt und werden uns immer in Erinnerung bleiben:  Ihr radikaler, aber richtiger Richtungswechsel nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima im März 2011, als sie in kürzester Zeit die Sorgen und Ängste der deutschen Bevölkerung aufnahm und in Windeseile die Weichen in Richtung Erneuerbare Energien stellte.

Aber natürlich ganz besonders ihr Führungsverhalten zu Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise vor gerade einmal zwei Jahren. Als  Hunderttausende von Menschen an den Grenzen von Ungarn und Österreich strandeten, tauchten vermutlich nicht nur bei unserer Bundeskanzlerin wieder schon längst vergessene Bilder von flüchtenden Menschen auf. Egal, ob dies nach der angerichteten Katastrophe des zweiten Weltkrieges war, oder bei der Flucht deutscher Staatsbürger aus einem ehemals eingezäunten Teil unserer Republik. Unsere Kanzlerin muss damals im August 2015 instinktiv gewusst haben, was zu tun war und sich auch ihrer – und der ihrer Partei – christlichen Wurzeln erinnert haben.  Und dass sie bei Ihrer Entscheidung auch mit der Unterstützung der Mehrzahl der deutschen Bürger/innen rechnen konnte. Mit zwei einfachen Sätzen („Wir schaffen das“!  Ein paar Tage später: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch dafür entschuldigen zu müssen, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“) setzte sie nicht nur die damalige Stimmung der Bevölkerung in entsprechendes, mutiges Handeln um. Sondern gab auch ein klares Bekenntnis zu den Werten, zu dem „Kitt“, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

Allianzen schaffen – Macht absichern

Dass „Mutti“ aber auch ganz anders sein, sehr schlau, berechnend und knallhart agieren kann, beweisen die Abgänge von ehemaligen Kontrahenten. Um ihren Aufstieg und anschliessend ihre Macht zu sichern, nahm sie auch keine Rücksicht auf ihren „Ziehvater“ Helmut Kohl. Lobte ihre Kritiker wie Günther Oettinger, Roland Koch, Edmund Stoiber und auch Christian Wulff einfach auf bedeutungslose Posten weg. Oder sass entsprechende Attacken einfach in Ruhe aus, bis ihre Angreifer, wie zum Beispiel Friedrich Merz, entnervt aufgaben. Und es ist fast ein Treppenwitz der Parteien-Geschichte, dass sich dieser Friedrich Merz – ein neoliberaler Vertreter des amerikanischen Großkapitals – jetzt um die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzender bewirbt. Unsere Kanzlerin stärkte aber ihre Macht auch über das Entsenden von treuen Weggefährten in die Machtzentralen der Industrie. Wie bei Matthias Wissmann , ehemaliger Verkehrsminister und Eckart von Klaeden, ehemaliger Staatsminister des Bundeskanzleramts. Die ihre „Brötchen“ als Präsident beim Verband der Deutschen Automobilindustrie (Wissmann) bzw. Leiter der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG (v. Klaeden) verdienten bzw. immer noch verdienen. Und damit in guter Gesellschaft von Ronald Pofalla sind, der als ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes jetzt im Vorstand der Deutschen Bahn sitzt.

Eine angebliche Niederlage in einen Sieg verwandeln

Vor gut einem Jahr konnten wir wieder ein Beispiel für das Gespür von Angela Merkel bezüglich Stimmungen in unserem Land beobachten. Und wie diese Erwartungen auch als Stimmen für den eigenen Machterhalt genutzt werden können. Nur ein kurzer Satz von ihr in einem Interview mit einer Frauenzeitschrift, dass bei eventuellen Abstimmungen über die Einführung der Home-Ehe kein Fraktionszwang, sondern das eigene Gewissen (sollte es eigentlich nicht immer so sein?) gelten soll. Eine Woche später dann schon die  entsprechende Abstimmung und Entscheidung. Wie zu erwarten, mit deutlicher Mehrheit für die Akzeptanz und gesetzliche Gleichstellung dieser Ehe. Anscheinend ein großer Sieg für andere Parteien, aber am Schluss doch eher für Angela Merkel. Die sich zwar auch öffentlich klar gegen dieses Gesetz positionierte, aber mit der entsprechenden Entscheidung elegant (wieder) ein mögliches Wahlkampfthema gar nicht erst aufkommen liess.

Zuhören- Abwägen – Aber sich trotzdem nicht Verbiegen

Wie soll man jetzt dieses ambivalente Führungsverhalten unserer Bundeskanzlerin bewerten und kann es auch als Vorbild für Führungskräfte aus anderen Bereichen sein? Vielleicht taktierend, „auf Sicht fahrend“, situativ, erst Entscheidungen fällen, wenn diese auf eine breite Zustimmung stoßen? Auch dem japanischen „Ringi-Prinzip“ folgend, bei dem solange diskutiert und verändert wird, bis alle Beteiligten zustimmen. Oder doch eher zögerlich, unentschlossen und nur auf den eigenen Machterhalt ausgerichtet? Ich vermute, es ist alles ganz anders. Angela Merkel hat in den Jahren ihrer politischen Arbeit und Ämter offensichtlich ihren ganz eigenen Führungsstil entwickelt, auch ausgerichtet an ihrem persönlichen Wertekompass. Und dieses Instrument scheint sich schon lange nicht mehr an anderen „Polen“ auszurichten, auch nicht an denen ihrer eigenen Partei.

Was wird von Angela Merkel und ihrer Ära bleiben?

Zur entsprechenden Bewertung werde ich noch einmal genau den Stammbaum unserer Kanzlerin recherchieren. Ob es da nicht doch Verbindungen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Asien gibt. Sollte sie vielleicht tatsächlich asiatische Wurzeln haben und ein Nachfahre des Chinesischen Philosophen Laotse (eigentlich Laozi) sein? Der schon vor über 2.500 Jahren den damaligen Anführern predigte, „dass, wenn man Menschen führen möchte, hinter diesen Menschen gehen muss“. Der aber auch angeblich empfahl, „dass Nichts tun besser ist, als mit viel Mühe nichts zu schaffen“.Und wenn wir in ein paar Jahren auf die Ära von Angela Merkel zurückblicken, wird uns bei der Bewertung ihrer Lebensleistung auch Laotse wieder helfen können: „Dass erst am Ende unseres Weges die Antworten stehen werden….“