Wie können Frauen Abhängigkeiten vermeiden, wie können sie sich aus diesen lösen? Warum sind so viele Frauen auch heute noch emotional und finanziell von (ihren) Männern abhängig und warum ist eine entsprechende Unabhängigkeit bei vielen Frauen immer noch mit Angst verbunden? Diese Fragen durchleuchtet und beantwortet Martina Lackner in ihrem nachfolgenden Gast-Beitrag:
„Wissen Sie, woran Frauen leiden, wenn die Beziehung scheitert? Nein, es ist meist nicht nur der Geldmangel, oder der emotionale und administrative Stress, den der Trennungsprozess und eine Scheidung mit sich bringen. Viele Frauen sind schlichtweg völlig überfordert durch die Flut an Entscheidungen, die sie auf einmal alleine treffen müssen. Soll ich einen PKW leasen oder finanzieren? Was muss ich bei einem Mietvertrag beachten, und wie ein eigenes Konto eröffnen?
Alltägliche Banalitäten, die Männer täglich verhandeln und managen, stellen für viele Frauen ein Problem dar, wenn sie plötzlich auf sich alleine gestellt sind. Sie haben ihr gesamtes Formular– und Regelwesen, das ein Leben im Jahr 2018 erfordert, nie alleine getragen, die Arbeitsteilung war eine andere: Er den Job, das Auto, die Versicherung, den Kredit, und sie die Küche, die Kinder, die erweiterte Familie, soziale Kontakte und – vielleicht – einen Teilzeitjob.
Dazu kommt die emotionale Abhängigkeit: Frauen sind im Laufe der Menschheitsgeschichte und bis heute nicht zu emotional unabhängigen Persönlichkeiten erzogen worden. Die Rolle der Frau war die der Dienenden und nicht der Unabhängigen. Und diese Fixierung auf eine Rolle hat sich über die Generationen fortgesetzt. Zum einen, weil das patriarchale System diese Abhängigkeit eingefordert hat, zum anderen, weil Frauen im Jahr 2018 mit den vielfältigen Chancen und Möglichkeiten, sich dennoch immer wieder freiwillig in diese Rolle begeben.
Die Identifikation mit tradierten Rollen ist so stark, dass gesetzliche Regelungen wie die Quote oder das Recht auf Kitaplätze bei Frauen nach wie vor nicht wirklich gut greifen. Können sie auch nicht, da hier Ratio auf Emotion trifft. Die Politik versucht in gutem Glauben Regularien zu finden, die Frauen in die eigene Unabhängigkeit zu bringen, unter dem Label „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Wenn wir hier mal nicht von der zweiten Seite der Medaille sprechen, der gläsernen Decke, den Seilschaften und Netzwerken die Männer zur Verfügung haben, liegt die zweite Seite an den Frauen selbst – in ihren Emotionen.
Unabhängigkeit ist bei Frauen immer noch oft mit Angst besetzt: Die Angst vor Liebesverlust triggert in ihnen Zweifel: „Bin ich in meiner Beziehung zu selbständig, verliere ich womöglich meinen Mann, weil viele Männer immer noch Frauen suchen, die sich ihnen unterordnen, (auch wenn das viel diffiziler stattfindet als noch vor einigen Jahren) , geraten die Kinder schlecht, weil ich als Mutter vielleicht zu egoistisch und zu karriereorientiert bin, und die Schwiegermutter ist beleidigt, weil sie nicht ständig eingeladen wird.“
Dazu kommt die Angst vor den männlichen Vorgesetzten in den Unternehmen. Angst nicht zu genügen, nicht zu „performen“, Angst vor dem Gehabe des Alphamannes, und letztendlich auch immer, ob privat oder beruflich, die Angst vor der männlichen Gewalt. Nicht real, aber gefühlt. Die Psychologie spricht von transgenerationalen Übertragungen, die Gewalt, die Frauen tausende von Jahren ausgesetzt waren, wird nicht vergessen, sie ist gespeichert, auch im Jahr 2018.
Und last but not least: Abhängigkeit kann auch schön sein, denn es ist schlichtweg bequemer, keine Entscheidung treffen oder keinen Kreditvertrag für den Hauskauf abschließen zu müssen und einfach nur hinter dem Mann in der zweiten Reihe zu stehen.
So bedingt das Mindset von Frau und Mann immer noch ein Ungleichgewicht in den privaten und beruflichen Beziehungen. Sie bedingen sich wechselseitig und stützen sich. Man könnte also behaupten, Mann und Frau haben immer noch einen Vorteil aus dieser Rollenkonstellation.
Dass es aber auch anders gehen kann, beweisen immer mehr Partnerschaften, in denen sich Frauen und Männer auf Augenhöhe begegnen und bei denen sich Frauen weder emotional noch finanziell abhängig machen. Und es gibt immer mehr Männer, die sich so eine Partnerin ganz bewusst suchen und diese Partnerschaft ganz bewusst leben. Einige Beispiele dieser Männer können Sie in meinem Buch – Side by Side, Männer an der Seite erfolgreicher Frauen – erfahren. Auch mit den individuellen Lebensgeschichten der Autoren und Autorinnen, den Herausforderungen einer erfüllenden Beziehung „Seite an Seite“, aber auch den entsprechenden Vorteilen für beide Partner. Ich wünsche Ihnen wertvolle Impulse und viel Erfolg für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten „Side by Side“!
Das ist ein brisantes Thema, und ich finde es gut, dass Sie es so ehrlich benennen. Da kommen mir viele Situationen und Beispiele in den Sinn: Paare, die diese, wie Sie es nennen, emotionale und finanzielle Abhängigkeit zum Kitt der Beziehung nehmen (positiv wie negativ, meist unbewusst), und alleinstehende Frauen, die die entsprechende Unabhängigkeit tagtäglich „verteidigen“ zu müssen scheinen. Das kostet Kraft, und das Leben ist ja schon mühsam genug… Meine Ideen zur Unabhängigkeit im Einklang mit sich und dem Gegenüber: 1) Bereit sein, Entscheidungen zu treffen, für sich – und damit wertschätzend auch für den anderen. 2) Sich vernetzen: mit anderen Frauen und Freunden, auch guten Nachbarn, die Facetten der „Alltagskompetenz“ (Verträge, Versicherungen, Konten etc.) beherrschen, die Frauen auf dem Weg zur Unabhängigkeit (noch) nicht vertraut sind. Es ist ok, nicht alles selbst zu können. 3) Erkennen, dass die Abhängigkeit auch männlicherseits vorhanden sein kann. Wenn sich Männer „emotional abhängige“ Frauen wählen, ist auch das ein Muster. Es ist stets ein Zusammenspiel. 4) Reden, reden, reden, und schließlich 5) Abhängigkeit nicht verwechseln mit Partnerschaft oder gar Liebe. Das ist, wie ich es sehe, ein prominentes Missverständnis, aus dem sich, neben gesellschaftlichen Konventionen und (Rollen-) Zuschreibungen, solche Probleme erst speisen. Sich aufeinander zu verlassen, wäre die positive Umkehr von Abhängigkeit, generell, und etwas sehr Schönes. mit herzlichem Gruß, N. Leonhardt, München/ Rhodos
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Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung und die entsprechenden Beobachtungen und Vorschläge für ein Zusammenleben auf Augenhöhe! :-))
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