Frische Eltern und Selbständigkeit – ein unternehmerisches Familienmodell der besonderen Art.
Anabell und Oliver Dreber sind seit April dieses Jahres verheiratet und erlebten im Mai mit der Geburt ihres Sohnes Nathan erstmals das Glück des Familiennachwuchses. Beide arbeiten mit unterschiedlichen Schwerpunkten als selbständige Trainer, Berater & Coach. Während Oliver seit 2015 die Hara Do UG – Institut für Kampf & KommunikationHara Do UG – Institut für Kampf & KommunikationHara Do UG – Institut für Kampf & KommunikationHara Do UG – Institut für Kampf & Kommunikation erfolgreich als Trainings- & Workshopunternehmen aufbaute, hat Anabell den finalen Schritt in die Selbstständigkeit vor einem Jahr getan. Sie arbeitet unter anderem als freie Dozentin und Beraterin zu den Themen Digitale Transformation, Design Thinking und Innovation. Mit dem Nachwuchs hat sich natürlich nicht nur das Familienleben der Drebers verändert, sondern insbesondere auch die Art der selbständigen Arbeit und schließlich Zusammenarbeit.
Über die Schwierigkeiten, Herausforderungen und auch Möglichkeiten eines unternehmerischen Familienmodells berichten sie hier in ihrem Gespräch:
Anabell Dreber: 12 Wochen ist Nathan nun alt. Vielleicht Zeit für ein erstes Resümee?! Was hat sich für dich in deinem beruflichen Leben am meisten verändert?
Oliver Dreber: Die größte Veränderung ist, dass ich nicht mehr so produktiv bin, wie vorher. Das liegt nicht nur daran, dass weniger Zeit zur Verfügung steht, weil wir uns um Nathan kümmern. Sondern auch daran, dass ich durch den Schlafmangel körperlich und geistig nicht so fit bin wie sonst. Diese Tatsache zu akzeptieren und annehmen zu können, fällt mir offen gestanden noch sehr schwer. Ich habe ständig das Gefühl, nicht genug getan zu haben. Ich muss mich dann immer wieder selbst ermahnen, dass es einen guten Grund für meine nachlassende Produktivität gibt. Trotzdem: Es ist erschreckend, wie sehr wir darauf getrimmt sind, effektiv zu sein und Leistung zu erbringen. Selbst wenn wir unser eigener Chef sind.
Anabell: Vielleicht bist du als dein eigener Chef sogar strenger, als es ein anderer wäre?! Das Gefühl der mangelnden Produktivität kenne ich. Vor allem, weil ich Dinge oft unterbrechen muss, um Nathan zu stillen. Das ist nun mal etwas, das du mir nicht abnehmen kannst. Ich nehme mir immer vor, dann nicht nur physisch meine Tätigkeit zu wechseln, sondern auch gedanklich ganz bei meinem Kind zu sein. Meistens gelingt mir das ganz gut, aber manchmal konzipiere ich während des Stillens auch einen Workshop, oder formuliere im Kopf Blogbeiträge.
Oliver: Ich denke, deswegen solltest du kein schlechtes Gewissen haben. Machen wir ja beim Spazierengehen auch oft: Der Kleine schlummert im Kinderwagen und wir besprechen unsere nächsten Schritte, aktuelle Herausforderungen oder überlegen uns neue Themen, die wir angehen möchten. Entscheidend ist doch, dass wir in dem Moment, wo Nathan aktiv unsere Aufmerksamkeit benötigt, ganz bei ihm sind.
Anabell: Ja, da stimme ich dir zu. Aktuell schläft er noch viel, am liebsten im Tragetuch. Ich habe das vorher so nicht vermutet, aber es ist eine gute Gelegenheit zum Arbeiten: Ich schnalle den Kleinen auf und er hat das wunderbare Gefühl der Nähe, das ihm so wichtig ist. Dann setze ich mich auf meinem Gymnastikball wippend an den Schreibtisch. Im Übrigen habe ich das Gefühl, dass ich wesentlich effizienter arbeite, als zuvor. Während ich sonst sehr oft meine Tätigkeit unterbrochen habe, um aufs Smartphone zu schauen, mich von neuen Posts in sozialen Netzwerken ablenken zu lassen, oder einen Kaffee zu kochen, nutze ich die Zeit nun möglichst konzentriert für eine Sache.
Oliver: Eine neue Herausforderung wird das sicher noch, wenn er irgendwann nicht mehr schläft. Dann sollten wir sehr klar festlegen, wer sich wann um Nathan kümmert, während der andere arbeiten kann.
Anabell: Genau! Und dann musst du noch mehr hinnehmen, dass du in dieser Zeit wahrscheinlich wirklich überhaupt nicht produktiv bist. Manchmal frage ich mich schon, ob wir wirklich gute Eltern sind, weil wir parallel versuchen, Zeit für unsere Arbeit zu finden. Gleichzeitig denke ich, dass wir ja genau deswegen selbstständig sind: Weil es genau diese Tätigkeiten uns so am Herzen liegen, dass wir sie nicht missen möchten.
Oliver: Ich bin mir sicher, dass wir gute Eltern sind. Wir haben uns nur für ein Rollenmodell entschieden, das noch nicht allzu verbreitet ist. Ich könnte mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen, an fünf Tagen die Woche so gut wie gar nicht Zuhause zu sein. In den vergangenen Wochen haben wir jeden Morgen miteinander gefrühstückt, meist zusammen zu Mittag gegessen und stets gemeinsam den Tag ausklingen lassen. Für mich ist das pure Lebensqualität.
Anabell: Absolut! Für mich gewinnt der Aspekt von Familie damit eine neue Bedeutung und auch der Begriff „Familienunternehmen“. Nathan war ja sogar schon bei einem Kundentermin dabei und mit uns in Hamburg, wo ich einen Auftrag hatte. Während ich meinem Job nachging, habt ihr die Stadt unsicher gemacht. Privatleben und Arbeit lassen sich bei uns nun noch weniger trennen. Und bisher habe ich das Gefühl, dass unsere Kunden sich eher für uns freuen und es gut finden, wie wir mit der neuen Art unseres Unternehmens umgehen. Niemand hat uns den Eindruck vermittelt, dass ein Kind stört oder man uns als unprofessionell betrachtet, weil während eines Telefonats plötzlich Babygeschrei zu hören ist oder wir sogar darum bitten müssen, zurückrufen zu können.
Oliver: Ich denke, solange Nathan zufrieden und glücklich ist, ist alles gut. Wir würden alles wieder so machen, oder?
Anabell: Ja sicher! Wenn ich mir allerdings was wünschen dürfte, dann wäre es ein anderes Elterngeld-System. Natürlich ist es super, dass wir in Deutschland Elterngeld erhalten. Und es ist toll, dass es mittlerweile das Modell des ElterngeldPlus gibt, bei dem man die Hälfte des Geldes über einen längeren Zeitraum bekommt, weil man parallel schon wieder in Teilzeit arbeitet. Die Beantragung des Elterngeldes ist für uns Selbstständige jedoch furchtbar. Wir haben eine private Beratung in Anspruch genommen und dennoch gab es Rückfragen vom Amt. Da wurden Dinge abgefragt, die wir heute schlichtweg nicht prognostizieren können. Mich hat dieses Thema wirklich Zeit und Nerven gekostet.
Oliver: Viel sinnvoller und vor allem fairer wäre es doch, wenn einfach jeder, der ein Baby bekommt, den gleichen Betrag erhält – unabhängig von seinem Einkommen. Der Staat hätte das Geld dafür, denn ein großer Teil der Verwaltung ließe sich damit einsparen.
Anabell: Eine gute Idee! Nicht gelöst ist damit allerdings der Aspekt des Mutterschutzes für Selbstständige. Vor der Geburt gibt es den nicht. Mir ging es aber leider tatsächlich nicht mehr so prima in den letzten Schwangerschaftswochen. Nur mit Mühe habe ich noch offene Aufträge abschließen können. Der Mutterschutz nach der Geburt wiederum ist natürlich gut gemeint, doch als Selbstständige kann ich nicht einfach alle meine Tätigkeiten für acht Wochen liegen lassen, dann wieder einsteigen und meinen, dass direkt Aufträge bereitstehen. Wir hatten großes Glück, dass es mir direkt so gut ging und unser Baby so pflegeleicht und gesund ist.
Oliver: Ja, wir haben sehr viel Glück (lacht). Ich bin aber auch überzeugt, dass wir als Unternehmer unser Glück noch besser selbst schmieden können als Angestellte. Wir planen unsere Tage, wie sie für uns als Familie gut sind. Wir haben die Freiheit, an einem schönen Sommertag spontan einen Ausflug zu machen, wenn kein Kundentermin ansteht. Dafür sitze ich gern mal an einem Abend am Rechner, wenn Nathan schon schläft.
Anabell: Geht mir genauso. Wobei das eine sehr individuelle Sache ist, denke ich. Für mich ist entscheidend, dass wir in unserer Gesellschaft die Wahl haben sollten: Es gibt Frauen, die während der Elternzeit gern ganz Zuhause bleiben und es gibt andere, die gern nach acht Wochen (oder wann auch immer) zu ihrem Arbeitgeber zurückkehren. Für mich persönlich ist unser Weg ideal, weil ich meiner Arbeit weiter nachgehen kann, ohne das Gefühl zu haben, mich damit gegen mein Kind entscheiden zu müssen. Selbstständigkeit und Baby, das ist in jedem Fall eine Herausforderung und besetzt das Wort „ständig“ noch einmal neu. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr Familien den Mut zum „Familienunternehmen“ der anderen Art aufbringen. Es ist schade, wenn finanzielle Unsicherheit oder der Druck bzw. die Erwartungen unserer Gesellschaft ein solches Vorhaben hemmen. Es gibt sicher immer Gründe, die dagegen sprechen, aber eben auch viele dafür. Im Moment kann ich mir zumindest kein anderes Lebenskonzept vorstellen.
Es ist schon schön, zu sehen, wie die beiden ihr Leben im Griff haben. Was mich etwas stört, ist, wie so oft, diese Aufforderung an andere, es doch ihnen gleichzutun!
“ Ich würde mich freuen, wenn noch mehr Familien den Mut zum „Familienunternehmen“ der anderen Art aufbringen. Es ist schade, wenn finanzielle Unsicherheit oder der Druck bzw. die Erwartungen unserer Gesellschaft ein solches Vorhaben hemmen. Es gibt sicher immer Gründe, die dagegen sprechen, aber eben auch viele dafür. Im Moment kann ich mir zumindest kein anderes Lebenskonzept vorstellen.“
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Für die meisten Menschen ist das kein Lebenskonzept – sollte man einfach zur Kenntnis nehemen.
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Danke für das Kommentar, denn genau das ist tatsächlich ganz wichtig: sich nicht hemmen lassen, wenn man es möchte!!! Jede Frau und jeder Mann sollte die Freiheit haben zu entscheiden, ob und wie viel sie arbeiten möchten bzw. wie das Konzept ganz individuell aussehen soll!
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