Ist gutes Aussehen von Frauen jetzt tatsächlich schon ein Fluch und nicht mehr eher ein Segen? Die aktuelle und hitzige Sexismus-Debatte – entzündet an den Mißbrauchsvorwürfen gegen den US-Produzenten Harvey Weinstein  – ist Teil des täglichen Kantinengesprächs und bestimmt auch bei mancher Weihnachtsfeier, egal ob in der Firma oder zu Hause. In dieser Debatte wird auch heftig über die uralte Frage gestritten, ob Frau überhaupt noch gut aussehen soll und darf. Und natürlich auch, ob gutes Aussehen bei einer beruflichen Karriere tatsächlich hilft, oder jetzt eher schadet. Zur Beantwortung dieser Frage habe ich mir kompetente Hilfe geholt. Von Katja Gose-Krüger, die aus dem Blickwinkel einer Frau und auf Basis ihrer beruflichen Erfahrung das Thema entsprechend beleuchtet:

Der erste Eindruck zählt – Und dabei natürlich auch gutes Aussehen

„Ich komme als Personalberaterin täglich mit verschiedensten Menschen zusammen, viele treffe ich zum ersten Mal. Taxierende Blicke von Kopf bis Fuß ‒ mal mehr, mal weniger auffällig ‒ gehören bei diesen Begegnungen so selbstverständlich dazu wie der Handschlag zur Begrüßung. Das Aussehen wird registriert, auf beiden Seiten. Was meine Kunden oder Auftraggeber bei mir wahrnehmen und ich bei ihnen und was wir jeweils daraus ableiten, geschieht teils bewusst, teils unbewusst. Wichtig ist jedoch, um diese Vorgänge zu wissen. Denn übers Aussehen kann man zwar verschiedenster Meinung sein, eines ist jedoch sicher: Es hat einen Effekt. Und den sollte man kennen.

Wissenschaftler haben es längst herausgefunden: Schöne Menschen sind im Vorteil. Bereits unmittelbar nach der Geburt reagieren Mütter stärker und häufiger auf ihren Nachwuchs, wenn er hübsch ist. Diese Babys bekommen mehr Zuwendung. Aber auch die Neugeborenen selbst betrachten lieber ein hübsches als ein hässliches Gesicht, fanden die Forscher heraus. Attraktive Gesichter werden von ihnen länger angeschaut. Mit anderen Worten: Das Aussehen spielt für unseren Umgang miteinander von Beginn an eine nicht unerhebliche Rolle. Das zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben, von der Kita über die Schule bis in den Beruf. Von Partnerschaften und anderen sozialen Kontakten ganz zu schweigen.

Gegensätze ziehen sich an – Zumindest was unterschiedliche Geschlechter betrifft

So wundert es nicht, dass attraktive Bewerber auch öfter das Rennen um den Job machen, wenn ihre Mitbewerber weniger schön anzusehen sind. Doch bedeutet gutes Aussehen damit einen Freifahrtschein für Erfolg und Ansehen im Beruf? Mitnichten. Denn, so stellten Psychologen fest, ein attraktives Erscheinungsbild hilft nur dann beim Bewerbungsgespräch weiter, wenn das Gegenüber zum anderen Geschlecht gehört. Treffen Mann und Frau aufeinander, hat das gute Aussehen eine förderliche Wirkung. Treffen hingegen zwei Frauen aufeinander, hat eine Bewerberin, die besser aussieht als die Personalerin, wenig Aussicht auf Erfolg. Das gilt insbesondere dann, wenn sie zudem auch noch jünger ist.

Der Empfänger bestimmt die Botschaft – wem begegne ich wie?

Wir Frauen neigen dazu, uns ständig miteinander zu vergleichen. Bei einer attraktiven Geschlechtsgenossin wittern wir wohl Gefahr für unser eigenes Standing. Das überschattet mitunter die Beurteilung der anderen und den Umgang miteinander. Je nachdem, wen ich treffe, passe ich bewusst meinen Kleidungsstil der Situation an. Begegne ich einem Mann, kleide ich mich verführerischer als ich es einer Frau gegenüber tun würde. Während ich hier den Rock anziehe, setze ich bei einem Treffen mit einem weiblichen Gegenüber eher auf Hose und Brille. Potenzielle „Stutenbissigkeit“ wegen eines attraktiven Äußeren soll uns nicht im Wege stehen.

Wann gutes Aussehen zur Stolperfalle wird

Gutes Aussehen kann durchaus zum Hindernis werden, nicht nur im Umgang mit Frauen. Wenn mich mein Auftraggeber für eine attraktive, aber dumme Blondine hält, muss ich mir eine andere Wahrnehmung erst hart erarbeiten. Darum sollte man sein gutes Aussehen nicht als garantierten Türöffner betrachten, sondern ebenso die eigene Kompetenz durch versiertes Handeln und Verhalten untermauern. Den Zweifler, der vor allem nach meinem attraktiven Erscheinungsbild urteilt und mich für oberflächlich hält, weil mein Kleidungsstil trendbewusst und anziehend ist, kann ich nicht mit strahlendem Lächeln und bezirzenden Worten überzeugen, sondern nur durch Wissen, Können und entsprechende Taten.

Fazit: Gutes Aussehen ist eben kein Fluch, sondern ein Segen von Mutter Natur. Der sich gezielt einsetzen, aber manchmal ebenso wohl dosiert reduzieren lässt. Wer damit umzugehen weiß, leidet unter keinem Fluch, sondern befindet sich klar im Vorteil, nämlich immer dann, wenn Intelligenz und Aussehen eine erfolgreiche Symbiose eingehen.“