Gestorben ist er ja Gott sei Dank nicht, aber die Stimmung bei Borussia Dortmund war im Mai 2017 der nach einem Begräbnis nicht ganz ungleich. Beim Verhältnis zwischen Coach Thomas Tuchel und seinen Vorgesetzten, trotz aller sportlichen Erfolge, gerade in einem Jahr des Umbruchs. Dabei ist es doch in diesem Show-Business wie bei allen anderen Unternehmen. Der Erfolg heiligt zwar oft alle Mittel, aber Eifersüchteleien und Machtspielchen gibt es sowohl in der Kreis-, als auch in der Bundesliga. Zum Beispiel, wenn Zuständigkeiten nicht klar geregelt sind,  Menschen mit allen Mitteln ihr Revier verteidigen, neidisch auf das höhere Einkommen des anderen, oder dessen größere Beliebtheit sind. Und wenn man sich einfach nicht mag, auch wegen unterschiedlicher Wertvorstellungen und Ansichten, wenn persönliche Animositäten die Hauptrolle spielen, dann ist die Zusammenarbeit nur noch eine Zusammenarbeit auf Zeit und höchstens durch den entsprechenden Erfolg verbunden.

Aufhören, wenn es am Schönsten ist

Natürlich ist es immer etwas Besonderes, wenn eine Mannschaft, eine Organisation über Jahre auf eine Person an der Spitze ausgerichtet war, wie zum Beispiel auf Jürgen Klopp in Dortmund. Der herausragende Erfolge erzielte, von allen Beteiligten respektiert (vielleicht von manchen sogar geliebt) wurde, aber bei seinem Start ebenso eine Anlaufzeit wie Thomas Tuchel benötigte. Und auch in seiner letzten Saison den Absturz der Borussia auf einen Abstiegsplatz nicht verhindert konnte. Genauso aussergewöhnlich ist es aber auch, wenn wie im Fall Jürgen Klopp,  Führungskräfte in Spitzenpositionen die Zeichen der Zeit erkennen, rechtzeitig den Platz für Veränderungen freimachen und freiwillig auf die Erfüllung eines laufenden Vertrages verzichten.

Viel zu viele Fälle gibt es, bei denen Geschäftsführer oder Vorstände regelrecht an „ihrem Sessel kleben“, meinen unersetzlich zu sein, und kein Gespür dafür entwickeln, dass sie nicht nur sich selber, sondern auch dem weiteren Erfolg der Organisation im Wege stehen. Und am allerschlimmsten ist es, wenn bei diesem Verhalten hauptsächlich das liebe Geld eine Rolle spielt und ein Rausschmiss (mit einer entsprechenden Abfindung) einem geordneten Rückzug in Ehren (aber ohne finanzielle Absicherung) vorgezogen wird.

Erfahrene, kluge Manager wissen, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiter geht, und dass es besser ist, rechtzeitig in Ehren und mit Applaus verabschiedet zu werden, als später mit lauten Pfiffen und mit „Schimpf und Schande“ vom Hof gejagt zu werden. Und genauso wissen sie, dass jeder Abschied – und vor allem die Form und die entsprechenden Begleitumstände – schon die Bewerbung für die nächste Aufgabe ist.

Wenn man nichts ändert, ändert sich nichts.

„Nach reiflichem Überlegen bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich nicht mehr der perfekte Trainer bin und ich den Weg für Veränderungen freimachen muss“. So leitete Jürgen Klopp die Pressekonferenz zu seinem Abschied vor fast genau zwei Jahren ein. Die Beantwortung der Frage, ob man sich selber und andere noch motivieren kann, ist essentiell, um Menschen für gemeinsame Ziele zu gewinnen und ganz besonders, wenn neue Herausforderungen zu bewältigen sind. Ist die Antwort negativ und merkt man, dass man auf der Stelle tritt, oder dass die Beteiligten nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen, ist entsprechendes Handeln angesagt. Und die Erkenntnis, dass „wenn sich die Zahlen nicht ändern, sich die Gesichter ändern müssen“, gilt überall. Egal, ob „auf dem Platz“, oder im Büro.

Vorher Überlegen macht nachher überlegen

Diese einfache Empfehlung gilt gerade dann, wenn Geschäfte stagnieren und bisherige Methoden nicht mehr greifen. Da hilft dann auch nicht der Spruch von Oli Kahn („Immer Weiter, Immer Weiter“!), oder „wir müssen einfach härter arbeiten.“ Sondern eher die Empfehlung eines ehemaligen Chef´s von mir, „dass jetzt zum „Äussersten“ gegriffen und mal richtig nachgedacht werden muss“. Was sind die eigentlichen Stärken auf die man sich verlassen kann, wohin entwickeln sich die Märkte, welche Trends sind zu erwarten, wie ist die zukünftige Strategie darauf auszurichten und vor allem, ist das vorhandene Personal den neuen Anforderungen gewachsen? Und wenn man bei dieser Analyse feststellt, dass das Profil des aktuellen Verantwortlichen nicht mehr zu den neuen Herausforderungen passt, muss die Suche nach dem „Neuen“ entsprechend ausgerichtet werden. Was nützt z.B. ein „braver Buchhalter“ oder beinharter Sanierer an der Unternehmensspitze, wenn visionäre Vordenker gebraucht werden, die auch mit neuen Führungsmethoden junge und kreative Menschen anlocken und begeistern können? Umgekehrt ist der beste Visionär oft überfordert, wenn es im Überlebenskampf einer Organisation darauf ankommt, Prozesse zu optimieren, kurzfristige Erfolge zu generieren, oder sich nur noch auf profitable Geschäftseinheiten zu konzentrieren. Oder anders ausgedrückt: Zuerst muss die Herausforderung klar sein, das dafür benötigte Konzept stehen und dann erst der dafür benötigte „Kopf“ geholt werden, welcher die entwickelte Strategie konsequent mit allen Beteiligten umsetzt.

Analysieren – Bewerten – Entscheiden – Kommunizieren

Dies wäre der ideale Ablauf bei der Vorbereitung und Umsetzung von entsprechenden Personal-Entscheidungen. Viel zu oft ist aber zu beobachten, dass noch nicht getroffene Entscheidungen durch gezielte Indiskretionen je nach Motivationslage vorbereitet oder verhindert werden. Noch im Amt befindliche Verantwortliche beschädigen sich durch öffentlich ausgetragene Machtkämpfe gegenseitig, die Organisation verliert durch fehlende Entscheidungen die Richtung und wird dabei oft sogar Handlungsunfähig. Und wenn zu viele Namen durch die Presse geistern, wird der „Neue“ oft nur als Notlösung betrachtet und startet dementsprechend schon mit einer schweren Hypothek. In professionell geführten Organisationen werden deswegen notwendige Personal-Entscheidungen im engen Kreis vorbereitet, es dringt nichts nach aussen, die Abstimmung mit den zu berücksichtigenden Gremien erfolgt nach klarem Plan. Nach der erfolgten Entscheidung werden die Betroffenen informiert, die entsprechende „Sprachregelung“ wird abgestimmt und die Entscheidungen „mit einer Stimme“ zum vereinbarten Zeitpunkt verkündet.

„Was mich tröstet, ist, dass unsere Freundschaft bestehen bleibt.“ Und: „Der Verein ist größer als ich und wir alle zusammen.“ Diese damaligen Sätze von H.J. Watzke und Jürgen Klopp bei der Trennung vor zwei Jahren beschreiben perfekt, wie Personalveränderungen vorzunehmen und aufzufassen sind. Die Ziele einer Organisation stehen im Vordergrund, Veränderungen sind Teil des Lebens und wenn diese von allen Beteiligten professionell umgesetzt werden, kann man sich auch später noch in die Augen sehen. Und wenn man will (nicht nur in Dortmund), auch noch gemeinsam ein Bier trinken gehen. Ich frage mich jetzt nur, warum sind diese einfachen Prinzipien bei der Borussia Dortmund so schnell vergessen worden? Oder gilt dort auch schon das „Hire & Fire-Prinzip“ von ganz normalen Aktiengesellschaften? Auch, dass beim „Tod“ des alten „Königs“ es schon wieder irgendein neuer machen wird. Im Zweifel halt für mehr Geld und nicht wegen „Echter Liebe“