Ein Vorbild zu sein, passiert meistens, ohne dass dies der jeweilige Mensch tatsächlich will. Einfach durch sein geführtes Leben und durch sein Verhalten in speziellen Situationen. Auch dass durch dieses Vorleben oft viele andere Menschen unbewusst beeinflusst werden, ist vielen Vorbildern gar nicht klar. Dabei ist gerade in Führungspositionen die Wirkung als Vorbild so wichtig, wie es Albert Schweitzer einmal treffend beschrieben hat:

„Ein Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art, wie man andere beeinflusst, sondern die einzige!“

An echten Vorbildern können sich eben Menschen orientieren und diesen nacheifern. Dabei muss dieses Vorbild eben nicht prominent oder ein „Heiliger“ sein, sondern kann direkt aus unserem persönlichen Umfeld kommen. Egal, ob es die Eltern oder Großeltern sind, eine ganz bestimmte Lehrerin, ein Ausbilder oder ein Trainer im Sportverein. Von denen man viel gelernt hat, deren Verhalten einem immer noch imponiert und an die man sich immer wieder gerne erinnert. Ehrenamtliche Helfer sowieso, die ihre Freizeit für die Hilfe anderer Menschen opfern. Genauso, wie ein Krankenpfleger, eine Ärztin, oder einfach der Nachbar von nebenan, der sich liebevoll um einen Angehörigen kümmert.

Was sind aber nun die Eigenschaften dieser besonderen Beispiele, was macht ein VORBILD aus? Und dies nicht nur im privaten Leben, sondern auch im beruflichen Umfeld. Nach meinen Erlebnissen habe ich versucht, die Wesenszüge von Menschen zu beschreiben, die diesem Idealbild am nächsten kommen. Menschen, die dieses Bild eben nicht nur zeichnen und erklären können, sondern vor allem auch die entsprechenden Verhaltensweisen im täglichen Umgang persönlich VOR-Leben und VOR-machen. Hier kommt der erste Teil meiner Beobachtungen mit der entsprechenden Übersetzung der einzelnen „Buchstaben“:

V = Verantwortung und Vertrauen

Echte Vorbilder wissen um die Auswirkungen ihres Handelns und übernehmen dafür auch Verantwortung. Sie gehen bei ihrem Tun auch bewusst Risiken ein, brauchen keine langen Abstimmungs- und Absicherungsrunden, sondern tun einfach das, was in der jeweiligen Situation getan werden muss. Sie müssen aber auch nicht jede Entscheidung selber treffen und gerade auch nicht alles alleine machen. Sondern übertragen ihren Mitarbeitern entsprechende Verantwortung, geben diesen ihr Vertrauen (natürlich auch ihren Rückhalt) und bekommen dieses Vertrauen dann auch wieder zurück. Auch dadurch, dass man als Führungskraft einfach das sagt, was man meint und dann auch das tut, was man gesagt hat. Einhält, was man verspricht, ohne jeden Tag daran erinnert werden zu müssen. Wenn ich mir sicher bin, dass ich mich auf jemanden verlassen kann, dann bräuchte es für getroffene Vereinbarungen eigentlich auch keine schriftliche Form. So wie es den Prinzipien von Ehrbaren Kaufleuten entspricht, bei denen ein Handschlag, ein gegebenes Wort noch zählt, auf das man sich dann auch entsprechend verlassen kann.

Und Verschwiegenheit sollte dabei selbstverständlich sein. Wie kann man von jemand anderen Vertrauen erwarten, wenn man selber vertrauliche Dinge ausplaudert und damit andere Menschen bloß stellt? Gerade bei der Verschwiegenheit, einer Eigenschaft, die nicht jedem Menschen gegeben ist,  trennt sich sehr oft die Spreu vom Weizen. Ob jemand ein „normaler“ Arbeitskollege, Mitarbeiter oder Vorgesetzter ist, mit dem man nur auf Basis schriftlicher Vereinbarungen zusammenarbeiten kann. Oder ob die Basis einer Beziehung und einer wertschätzenden Zusammenarbeit gegenseitiges Vertrauen ist, welches Zeit spart und mündige, verantwortliche Mitarbeiter/innen als Ergebnis hat. Die sich eben nicht als „Abarbeiter“ sondern als Mitarbeiter fühlen und als wertvoller und geschätzter Bestandteils des Unternehmens.

Gerade, da Vertrauen nicht auf „Knopfdruck“ entsteht, braucht man schon einen gewissen Mut, wenn man sich auf jemanden einlässt und ihm oder ihr sein Vertrauen schenkt. Nicht nur, dass man dieser Person zutraut, Entscheidungen zu treffen und auch dafür die entsprechende Verantwortung zu tragen. Sondern auch, dass man sich traut, sein eigenes Schicksal ein bisschen in die Hand von jemand anderem zu geben.  Natürlich wird nicht jeder dem entgegengebrachten Vertrauen sofort gerecht,  manchmal scheitert der Versuch an trivialen Dingen. Wie zum Beispiel an unterschiedlichen (zu hohen) Erwartungen, missverständlich gegebenen Informationen, oder einfach an der noch nicht vorhandenen Expertise oder Erfahrung. In der Praxis hilft da nur Ausprobieren und Testen. Das entsprechende Risiko dabei einkalkulieren und mögliches Scheitern gelassen akzeptieren. Und natürlich auch die Berücksichtigung der Empfehlung von Laotse: „Wer nicht genügend vertraut, wird kein Vertrauen finden.“

O = Offenheit und Orientierung

Wer Informationen besitzt, besitzt die Macht. Je weniger man informiert, umso mehr wird die eigene Position gestärkt und geschützt. Umso weniger können dann die getroffenen Entscheidungen hinterfragt und kritisiert werden. So die Meinung von „Alphatieren“, die sich mit dieser Art von Politik auch im täglichen Haifischbecken der Unternehmen behaupten wollen. Dass mit diesem Verhalten aber automatisch Misstrauen gegenüber ihrem Handeln entsteht und niemand bereit ist, auch von seiner Seite aus offen und ehrlich Probleme und Lösungsmöglichkeiten anzusprechen, ist dann die logische Konsequenz. Informationen werden nur nach Nachfrage von unten nach oben gegeben und versickern oft auch in der sogenannten „Lähmschicht“ des Mittleren Managements. Kommunikation erfolgt vorrangig nur über offizielle Prozesse, hierarchisch und formell, die Werthaltigkeit der Inhalte ist dabei oft zweifelhaft.  Kluge Unternehmenslenker wissen dagegen, dass eine offene Kommunikation in alle Richtungen die Basis für Vertrauen und damit für nachhaltigen Geschäftserfolg ist. Sie informieren deswegen eher zu viel als zu wenig (auch bei negativen Ereignissen), erläutern die Hintergründe von ihren Entscheidungen im Detail. Sie ermuntern die Beschäftigten sich offen und aktiv untereinander auszutauschen, auch über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg. Haben auch kein Problem damit, eigene Fehler einzugestehen und auf den Rat von Menschen zu hören, die in ihrem Fachgebiet die Experten sind und deswegen auch von anderen akzeptiert werden.

Und bei dieser Offenheit spielt auch die entsprechende Orientierung eine große Rolle. Menschen wollen „das „Große Ganze“ sehen, verstehen, wohin die Reise geht, und welche Rolle sie dabei spielen. Ehrgeizige und motivierende Ziele setzen, dazu eine wirkungsvolle Strategie entwickeln und dann noch die einzelnen Massnahmen zur Umsetzung der gewählten Strategie  mit der Mannschaft absprechen und vereinbaren. Dies ist die Rolle einer modernen Führungskraft, ähnlich, wie bei Teams im Sport. Weniger Kommandieren, Kontrollieren und Korrigieren. Sondern mehr Koordinieren, Kooperieren und Kommunizieren. Nicht bei jeder Gelegenheit selber aufs Spielfeld stürmen und alles alleine machen wollen. Sondern eher wie der Coach am Spielfeldrand die Positionen nach Stärken der einzelnen „Spieler“ festlegen, die jeweiligen Aufgaben definieren, Schnittstellen im Zusammenspiel beschreiben und auf die Einhaltung dieser Regeln achten. Diese Vorgehensweise schafft Sicherheit für alle beteiligten Personen, verhindert Reibungsverluste und ist die Basis für das Erreichen der angestrebten Ziele.

R = Respektvolle Behandlung.

Menschen einfach so behandeln, wie man gerne selber behandelt werden möchte.  Mitarbeiter/innen mit Wertschätzung führen, ihre Leistung anerkennen (nicht nur mit einer fairen Bezahlung) und die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern (Kunden, Lieferanten,…) auf Augenhöhe gestalten. Andere Menschen nicht herabwürdigen und ganz besonders auch deren kulturelle Eigenheiten akzeptieren. Das sind die Merkmale von respektvoller Führung, wobei  „Respekt“ nach meinen Erfahrungen nicht gleichbedeutend mit „in Watte packen“ oder „Weggucken“ ist. Bei Fehlverhalten und/oder mangelnder Leistung bedarf es klarer Worte, aber hier ist das „Wie“ entscheidend. Emotionale Ausbrüche und Schuldzuweisungen sind fehl am Platz. Stattdessen ist sachliche Argumentation gefragt, das Aufzeigen von „Soll und Ist“ und das Anbieten von Lösungs- und Verbesserungsmöglichkeiten.

Soviel zur ersten „Silbe“ von VOR-BILD und den entsprechenden Eigenschaften. Welche „Buchstaben“ das „BILD“ beschreiben, erfahren Sie demnächst  an dieser Stelle.  Bis dahin hilft Ihnen bezüglich der Rolle und Wichtigkeit eines echten Vorbildes vielleicht auch die Empfehlung von Karl Valentin: „Dass man Kinder nicht erziehen muss, weil die einem sowieso alles nachmachen“. Und da wir alle zeitlebens Kinder bleiben (Männer sowieso) und höchstens älter werden, gilt diese Weisheit für alle Generationen und Lebensbereiche. Genauso, wie die Empfehlung eines anderen, unbekannten „Philosophen“, dass „Worte Zwerge sind. Beispiele aber Riesen“!

Wenn Sie Lust auf die Fortsetzung meiner Gedanken bekommen haben, was ein echtes VOR-BILD ausmacht, dann finden Sie hier den entsprechenden Beitrag

 

Diese Gedanken sind auch Teil der Blogparade von Angelika Neumann: https://angelikaneumann.de/blogparade-gute-zusammenarbeit/