Die Gans war kross gebraten, das Fleisch zart und die Klöße auf den Punkt gekocht. Wie nicht anders zu erwarten, schliesslich speisten sie im besten (und teuersten) Restaurant der Stadt. Die achtjährige Sophie mit ihren Eltern und mit ihrer Großmutter, die ihr Sohn zu diesem Adventsessen extra aus dem Altersheim abgeholt hatte. Eine feine Dame, Ende Siebzig, die seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren dort lebte. Um nicht alleine in ihrer Wohung leben zu müssen, den jungen Leuten in deren großer Villa nicht im Weg zu sein und nicht auf die Nerven zu gehen. So sagte sie es wenigstens allen, die sie danach fragten.

Na, fragte sie jetzt ihre Enkelin zwischen Gans und Tiramisu, hast du schon deinen Wunschzettel fertig und an das Christkind geschickt? Ja, Omi, antwortete Sophie. Und er ist ganz schön lang geworden, ich hoffe der Weihnachtsmann kann das alles lesen und tragen. Auch das große Puppenhaus, ein neues Fahrrad, ein neues Kuscheltier und vor allem das neue Handy, das ich mir so wünsche. Das alte ist mir letzten Monat runtergefallen und Papa will mir seines nicht geben. Sophie´s Vater atmete tief durch, auch weil er ahnte, was ihn jetzt wieder erwartete. Die Diskussion mit seiner Mutter, warum wir eigentlich Weihnachten feiern und für was das Kind eigentlich getauft wurde. Da es anscheinend so gar nichts mit diesem Fest, einer Krippe und dem Heiligen Abend anfangen konnte. Und dass eben die Geschenke nicht der Weihnachtsmann bringt, sondern das Christkind. Hoffentlich fing die alte Dame nicht auch noch mit ihrer Frage nach einem möglichen Bruder für Sophie an zu nerven. Weil, Platz genug im Haus hätten sie ja.

Doch wider Erwarten wechselte Sophie´s Großmutter das Thema und erzählte von ihren Erlebnissen während der letzten Tage. Dass sie im Altersheim Besuch eines Kinderchors hatten, alle im Alter ihrer Enkelin, und dass der Leiter des Chors nach der Vorstellung um Spenden bat. Um Winterkleidung für Obdachlose und um Spielzeug und Bücher für eine Hilfsaktion, die Kinder in notleidenden Familien unterstützte. Seitdem strickten alle Frauen an Schals, Handschuhen und Mützen für die Erwachsenen und freuten sich, dass sie wieder gebraucht wurden und etwas sinnvolles für andere tun konnten. Und die Männer durchsuchten ihre Kleiderschränke nach nicht mehr passender oder überflüssiger Kleidung, halfen beim Sortieren, Verpacken und bei der Auslieferung.

Da fällt mir ein, Du hast doch bestimmt auch Spielsachen zu Hause, mit denen du schon lange nicht mehr spielst und mit denen Du vielleicht auch anderen Kindern eine Freude machen möchtest? Fragte Oma ihre Enkelin und sah sie erwartungsvoll an. Ihre Schwiegertochter verschluckte sich beinahe am letzten Bissen der Gans und legte Messer und Gabel hörbar zur Seite. Ihr Sohn schwieg betreten und überliess die Antwort seiner Tochter.

Ja, schon, antwortete Sophie. Ich habe jede Menge Spielzeug, für das ich wirklich schon viel zu alt bin und mit dem ich schon lange nicht mehr spiele. Der Platz in meinem Zimmer wird immer weniger, die Schränke immer voller und in der Garage rostet mein altes Fahrrad vor sich  hin. Aber warum soll ich von meinen Sachen etwas anderen Kindern schenken, ich kenne die doch gar nicht? Genau so ist es, sprang ihr ihre Mutter bei. Und ausserdem ist es schon spät, wir müssen los. Die Geschäfte haben heute nicht so lange geöffnet und wir müssen noch einkaufen. Und ich habe im Schaufenster des Schuhgeschäftes gesehen, sagte sie in Richtung ihres Mannes, dass die passenden High Heels zu meinem Silvester-Outfit herabgesetzt worden sind. Von bisher vierhundertfünzig Euro auf nur noch dreihundertzwanzig. So ein Schnäppchen darf man sich doch nicht entgehen lassen, oder?

Da hast du recht, wir müssen tatsächlich los. Antwortete Sophie´s Vater, winkte nach dem Kellner und verlangte die Rechnung. Das zwischenzeitlich servierte Tiramisu blieb unberührt.